In der vergangenen Woche schlug eine Meldung aus dem Blindenfußball bundesweit ungewohnt hohe Wellen in der Medienlandschaft. Dabei handelte es sich jedoch nicht um einen spektakulären Spieler- oder Trainertransfer, sondern um eine sozialpolitische Nachricht, die auf den Tickern sämtlicher Presseagenturen erschien.Der im März neu gewählte Bundespräsident Joachim Gauck hat nämlich die Schirmherrschaft für die Deutsche Blindenfußball-Bundesliga (DBFL) übernommen. Damit führt er die Schirmherrschaft seines Vorgängers Christian Wulff bis zum Ende der DBFL-Saison 2013 fort. „Blindenfußball ist eine faszinierende Spielart des Breiten- und Spitzensports Fußball. Der Kampf um den rasselnden Ball schafft Gemeinsamkeit und leistet so einen wichtigen Beitrag für unser Zusammenleben. Der Blindenfußball zeigt uns, zu welchen außerordentlichen Leistungen Menschen mit Behinderungen im Stande sind und trägt so zu mehr gegenseitigem Verständnis bei. Ich habe daher gerne die Schirmherrschaft übernommen“, so Gauck zu seinem Engagement im Blindenfußball.
Blindenfußball schafft also „Gemeinsamkeit“ und trägt zu mehr „gegenseitigem Verständnis“ bei. Diese Aussage würde von Seiten der aktiven Blindenfußballer höchstwahrscheinlich so bestätigt werden. Zwar kämpfen die Blindenfußball-Mannschaften auf dem Platz genau so um Tore, Punkte und Siege wie ihre sehenden Fußballkollegen, allerdings ist der Konkurrenzgedanke abseits des Spielgeschehens kaum vorhanden. Viele Spieler sind teamübergreifend miteinander befreundet. An den Spieltagen sitzt man in den Spielpausen oder am Abend zusammen, tauscht sich über den eigenen Sport oder das aktuelle Geschehen in der „normalen“ Bundesliga aus.
Gaucks Vorgänger Wulff betonte im März vergangenen Jahres, dass er die Idee, die Liga durch den Weg in die Innenstädte der Republik bekannter zu machen, sehr überzeugend fände. „Diese Liga ist eine hervorragende Initiative der drei beteiligten Verbände. Die Idee, den Blindenfußball und die Liga bekannter zu machen, finde ich sehr überzeugend. Ich bin sicher, dass der Blindenfußball viele Menschen beeindrucken wird und dass er viel Potential hat, um die Popularität des Behindertensports weiter zu steigern“, so der ehemalige Bundespräsident zu Beginn der Schirmherrschaft.
Christian Wulff fachsimpelte bereits bei einer von der Aktion Mensch veranstalteten Matinee am 2. Dezember 2010 im Schloss Bellevue mit Blindenfußball-Nationalcoach Ulrich Pfisterer und den Nationalspielern Mulgheta Russom und Alexander Fangmann über seinen Lieblingssport Fußball. Damals zollte er den Blindenfußballern für ihre sportlichen Leistungen seine Hochachtung.
Der Blindenfußball scheint aus sozialpolitischer Sicht so attraktiv zu sein, dass neben den zwei genannten Staatsoberhäuptern auch Regierungschefin Angela Merkel schon als Schirmherrin einer Blindenfußball-Großveranstaltung fungierte. Die Bundeskanzlerin übernahm 2010 die Schirmherrschaft für den Tag des Blindenfußballs, der am 20. Mai unmittelbar auf dem Platz der Republik vor dem Berliner Reichstagsgebäude stattfand. Die vom Bundestagspräsidenten Norbert Lammert eröffnete Großveranstaltung, die mit dem ersten Heimländerspiel der deutschen Blindenfußballnationalmannschaft ihren Höhepunkt fand, wurde unter den Augen zahlreicher Politiker zu einem großen sportlichen und medialen Erfolg.
Seit der Auftaktsaison 2008 engagiert sich HSV-Stürmerlegende Uwe Seeler als sportlicher Pate der Blindenfußball-Bundesliga. „Ich bin immer wieder beeindruckt von den sportlichen Leistungen im Blindenfußball und kann mir bis heute nicht erklären, wie es funktioniert. Die Leistungsfähigkeit der Sportler und ihre Willenskraft verdienen höchsten Respekt und Anerkennung“, meint der DFB-Ehrenspielführer. Als Kuratoriumsmitglied der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB pflegt er zudem engeren Kontakt zum Thema Blindenfußball. Schließlich ist die DFB-Stiftung einer von drei Liga-Trägern und sorgt vor allem für die Organisation der Cityspieltage und die mediale Vermarktung der Liga. Die Nähe zum DFB und Ex-Fußballern wie Uwe Seeler verhilft dem Blindenfußball zu einer gesteigerten öffentlichen Aufmerksamkeit, wovon die noch junge Sportart und ihre rasche Entwicklung sehr profitieren.
„Uns Uwe“ ließ es sich als Vollblutfußballer nicht nehmen, selbst einmal unter der Augenbinde aufs Tor zu schießen. „Also, ich wurde ja so präpariert, dass gar nichts schief gehen konnte: Ich stand genau vor dem Ball und konnte mir einprägen, wohin ich schießen musste. Ich bekam eine Vorstellung davon, wie hoch konzentriert man bei diesem Spiel sein muss, um den Ball zu treffen. Es ist faszinierend. Die Blindenfußballer haben meine Achtung: Manch Sehender kann nicht so gut mit dem Ball umgehen.“
Diese Aussage vom ersten Torschützenkönig der Bundesligageschichte (30 Tore in der Saison 1963/64) ist für Blindenfußballer Lob und Ansporn zugleich. Sie zeigt auf schlichte Art und Weise, wie sehr Blindenfußball nicht nur die Aktiven, sondern auch Zuschauer begeistern kann.
Für eine heranwachsende Sportart wie Blindenfußball sind derartige Schirmherrschaften ungemein nützlich. Eine Schirmherrschaft verspricht generell einen beiderseitigen Imagegewinn. Selbiges gilt für die Schirmherrschaften im Blindenfußball; der Sport genießt die Wertschätzung durch die Unterstützung prominenter Persönlichkeiten und die namhaften Schirmherren profitieren von der Faszination des Sports und der ihm gewidmeten öffentlichen Präsenz. Es bleibt also für alle Beteiligten zu hoffen, dass das auf dem Fußballplatz gepflegte gute Miteinander auch in diesem Bereich fortgeführt wird.