Saisonvorschau Teil 2: Vom Schwabenland zur Waterkant

Der Start der Deutschen Blindenfußball-Bundesliga (DBFL) steht kurz bevor. Am 27. Mai rasselt die Liga auf dem olympischen Platz am Berliner Olympiastadion. Was dürfen wir von der zehnten Spielzeit erwarten? Wie sind die aktuellen Kräfteverhältnisse im deutschen Blindenfußball einzuschätzen? Wir werfen einen Blick auf alle acht in diesem Jahr startenden Teams und ihre Saisonvorbereitung.

Im zweiten Teil unserer Saisonvorschau schauen wir auf den FC St. Pauli, den Chemnitzer FC, den MTV Stuttgart und die SG TSV 1860 München/FC Viktoria Berlin.

FC St. Pauli

Der FC St. Pauli mischte in der vergangenen Saison lange im Meisterschaftsrennen mit. Das junge Team der Kiezkicker überzeugte vor allem in der Offensive. Nicht nur Jonathan Tönsing, der mit 15 Treffern am Ende die Torjägerkanone in Empfang nehmen durfte, sondern insbesondere die Variabilität im Angriff sorgte für einen erfolgreichen Saisonverlauf. So war es wenig verwunderlich, dass am letzten Spieltag in Rostock gleich mehrere Einzelehrungen an die Paulianer gingen. Paul Ruge war zum besten Mittelfeldspieler und Rasmus Narjes zum besten Abwehrspieler ernannt worden. Narjes und Tönsing sind Teil des Nationalmannschaftskaders, für den im August die Europameisterschaft ansteht.

Auf die Saison 2017 bereiteten sich die Kicker von der Waterkant zum einen bei einem Trainingswochenende mit der SG München/Berlin und zum anderen bei gleich drei Turnieren in Brüssel, Dortmund und Chemnitz vor. In Sachsen gewann man gänzlich ohne Nationalspieler, in Dortmund bezwang man zwar den BVB mit 1:0, musste sich aber auch wegen einiger Verletzungen dem amtierenden Meister aus Marburg mit 0:4 geschlagen geben.

Das Wort „Meisterschaft“ nehmen die Braun-Weißen jedoch auch vor der Jubiläumssaison nicht in den Mund. Dabei hat Trainer Wolf Schmidt ein Team geformt, das die benötigten Tugenden für den Titelgewinn vorweisen kann: Torgefahr, Disziplin, Spielstärke und mannschaftliche Geschlossenheit. Zum Auftakt wartet mit dem Chemnitzer FC gleich ein starker Gegner.

Felix Amrhein hatte Rasmus Narjes im Interview bei meinsportradio.de.

Chemnitzer FC

Der CFC feierte in der vergangenen Saison die zweite Vizemeisterschaft in Folge. Waren es 2015 bloß fünf Minuten und ein Tor, die die Himmelblauen vom ersten Meistertitel trennten, so waren es im letzten Jahr die Spiele gegen Marburg, St. Pauli und Stuttgart. Gegen Marburg konnten die Sachsen wegen Spielermangels gar nicht erst antreten, gegen die Kiezkicker und den MTV reichte es jeweils nur zu einem Unentschieden. Doch dank einer ansonsten konstanten Leistung stand am Saisonende erneut die Vizemeisterschaft zu Buche. Von der einstigen Kellermannschaft ist schon seit langer Zeit nichts mehr zu sehen. Coach Michael Falb und Spielführer Jörg Fetzer haben ein Team geformt, das für jeden Gegner schwer zu bespielen ist und das mit Kontinuität und Siegeswillen auch in diesem Jahr ein Aspirant für die oberen Platzierungen ist.

Den heimischen, traditionellen eins-Cup vor knapp zwei Wochen gewann zwar der FC St. Pauli, dahinter sicherten sich aber die CFC-Kicker den zweiten Rang. Und das ohne ihren starken Rückhalt Sebastian Themel im Tor. Themel feierte zur gleichen Zeit ein erfolgreiches Länderspielwochenende mit der Nationalmannschaft gegen die Türkei. Verzichten müssen die Sachsen in diesem Jahr in der Defensive auf ihren langjährigen Mitspieler Andreas Haußmann.

Ausführliche Informationen liefert Jörg Fetzer bei Felix Amrhein im Interview.

MTV Stuttgart

Beim Rekordmeister hat sich einiges verändert. Zum Saisonende 2016 legte Ulrich Pfisterer sein Traineramt in Stuttgart nach zehn höchst erfolgreichen Jahren nieder. Fünf Meisterschaften, zwei Vizetitel, einen dritten und einen vierten Platz errangen die Schwaben während der Ära Pfisterer. Dessen Konzentration gilt in diesem Jahr nun ausschließlich der Nationalmannschaft und einem erfolgreichen Abschneiden bei der heimischen Europameisterschaft. Das Traineramt beim MTV hat Giuseppe Calaciura übernommen. Genau wie einige neue Spieler in Reihen der Schwaben absolvierte Calaciura im Rahmen eines Vorbereitungsturniers am 1. April seine ersten Blindenfußballspiele. Das 7:0 gegen Wien und die 4:5-Niederlage gegen den BVB waren in der Offensive schon recht vielversprechend, verdeutlichten aber auch noch Verbesserungspotenzial in der Defensivabstimmung.

Die Qualität im Team ist insbesondere durch die Nationalspieler Russom, Fangmann und Smirek weiterhin sehr hoch. Mit dieser Erfahrung an der Seite sollte die Integration der neuen Mitspieler zu schaffen sein. Nach zwei meisterschaftslosen Jahren möchten die MTV-Kicker in der Jubiläumsspielzeit sicher wieder ein Wörtchen um den Titel mitreden. Bei einem erneuten Triumpf Marburgs wäre schließlich auch das Attribut Rekordmeister hinfällig. Die Weichen für einen guten Saisonvorlauf kann Stuttgart bereits im Auftaktspiel der Saison stellen. Denn was es sonst immer erst zum Saisonfinale gab, gibt es in diesem Jahr zum Start: der Klassiker zwischen Stuttgart und Marburg eröffnet in Berlin um 9.00 Uhr den ersten Spieltag. MTV-Spieler Lukas Smirek verpasst dieses Match wegen einer Roten Karte aus dem Aufeinandertreffen beider Teams am letzten Spieltag der vergangenen Saison. Der MTV trifft um 17.00 Uhr noch auf die SG TSV 1860 München/Viktoria Berlin und könnte im Optimalfall als Spitzenreiter in die Saison starten.

Weitere Informationen lassen sich dem Interview mit Alex Fangmann bei meinsportradio.de entnehmen.

SG TSV 1860 München/FC Viktoria Berlin

Erneut agieren die Hauptstädter in einer außergewöhnlichen Spielgemeinschaft. In diesem Jahr verbündet man sich mit dem TSV 1860 München, die im letzten Jahr noch mit dem VSV Würzburg in ihre Premierensaison gegangen waren. Von dieser sportlichen Liebelei verspricht man sich in erster Linie die Aufrechterhaltung eines spielfähigen Kaders. Der Großteil des Teams kommt weiterhin aus Berlin, erneut unterstützt von den Kölner Leihspielern Hendrik Möller und Hermann Petrick. Star des Teams ist Stürmer Edis Veljkovic, der in der vergangenen Spielzeit alle Berliner Tore erzielt hatte. Für Veljkovic steht in diesem Sommer zudem die Vorbereitung auf die Europameisterschaft in seiner Heimatstadt im Fokus.

Während der Saisonvorbereitung beim eins-Cup in Chemnitz fehlte die Offensivkraft, da er zeitgleich mit dem Nationalteam gegen die Türkei spielte und hier auch seinen ersten Länderspieltreffer markieren konnte. Ohne nominelle Spitze belegte die Berliner Rumpftruppe in Sachsen den letzten Platz. Inwieweit Ex-Nationalspieler und Dauertorschütze Kofi Osei regelmäßig am Ligabetrieb teilnehmen kann, wird sich zeigen. Sollte Osei, der in diesem Jahr wieder für Berlin gemeldet ist, den Platz betreten, vervielfacht sich die Berliner Angriffskraft selbstverständlich.

Spielertrainer Oliver Heise wagt im Interview mit Felix Amrhein auf meinsportradio.de einen Blick in die Glaskugel.