Kurz vor Wintersemesterbeginn, am letzten Wochenende im September, fand von der Universität Würzburg eine Blockveranstaltung für Lehramtstudierende statt. Am frühen Samstagmorgen trafen sich acht weibliche und sechs männliche Lehramtstudenten aller verschiedenen Schularten wie Gymnasium, Realschule, Mittel- bzw. Grundschule sowie Sonderpädagogik am Sportgelände Hubland der Universität. „Blindenfußball – Möglichkeiten der Vermittlung einer inklusiven Sportart“, so titelte die Universität die Veranstaltung, zu der sich die Studierenden im Voraus anmelden konnten.
Für mich als angehende Lehrerin für die Schulart des Gymnasiums mit der Fächerverbindung Deutsch und Sport klang das Seminar daher natürlich sofort interessant und weckte meine Neugier. Ich freute mich deshalb sehr, als ich die Zusage für eine Teilnahme bekam. Ohne genaue Vorstellungen oder Vorahnungen, was mich an diesem Wochenende erwarten sollte, doch aufgrund meiner sportlichen Begeisterung und der Offenheit an sozialen Themen, wie beispielsweise Inklusion, war ich gespannt auf die Veranstaltung. Zunächst erklärten uns die beiden Dozenten Ansgar Lipecki und Enrico Göbel den Ablauf der Seminartage und nach dem kurzen Kennenlernen sowie einigen theoretischen Grundlagen zu den Regeln des Blindenfußballs war bereits die erste Hürde genommen. Die größte Unsicherheit war abgebaut, sodass uns allen ein spannendes, sportliches und abwechslungsreiches Wochenende erwarten sollte. Bereits die Einführungsworte der beiden Blindenfußballerfahrenen ließen jedoch deutlich werden, dass „es ordentlich zur Sache“ geht im Blindenfußball! Ansgar Lipecki versichert uns allerdings trotzdem, dass wir am Ende des Tages und am morgigen Sonntag selbst aktiv sein werden in der mir völlig neuen Sportart und sogar selbst aktiv Blindenfußball spielen werden. Wie das wirklich möglich sein sollte und inwieweit mir das gelingen kann, war mir zu diesem Zeitpunkt und auch noch nach ersten Anfängerversuchen etwas rätselhaft. Neben fußballerischen Grundfertigkeiten gehört nämlich auch noch eine ordentliche Portion Mut dazu, sich blind fortzubewegen, was die Teilnehmer alle recht schnell nach den Vorübungen erkennen konnten. Die völlig neue Erfahrung blind zu sein, akustische Signale auseinanderzuhalten, sich anhand derer zu orientieren und dann auch noch in zügigem Tempo sich fortzubewegen war nicht einfach. Wir gingen paarweise und in kleinen Gruppen zusammen, übten auf akustische Reize zu achten und auf die verbalen Anweisungen seines Partners zu hören. Die verschiedenen Untergründe, auf denen man sich mit den Füßen fortbewegt, sind für uns mit Augenlicht erkennbar und man kann sich auf einen Wechsel zwischen Teer und Rasen beispielsweise vorbereiten. Unter der Schwarzbrille allerdings muss man seinem Partner vertrauen und tastet sich zunächst viel langsamer voran. Bei ersten Versuchen zu joggen, merkte ich bereits, dass Blindenfußball neben Mut, Kraft vor allem auch Aufmerksamkeit kostet. Durch das eigene Erproben bekam man ein Gespür dafür, wie schwierig der Alltag für einen blinden Menschen sein muss und welche großartigen Leistungen von den Sportlern erbracht werden.
Die Weichen waren gestellt, Ansgar Lipecki gab sozusagen den Startschuss für den Rasselball und es ging endlich auf den Kunstrasen. „Augen zu und los geht’s!“, hieß es dann bei den verschiedenen Übungsformen mit dem Blindenfußball. So bewegten wir uns zunächst frei auf dem Feld, wurden immer besser und nach ein paar Stunden konnte man tatsächlich große Fortschritte bei der fußballerischen Ballführung und dem Tempo erkennen.
„Morgen spielt ihr ein richtiges Abschlussspiel“, so beendete Ansgar Lipecki das Seminar am Samstagnachmittag, sodass die Erwartungen für den nächsten Tag hoch waren. So wirklich vorstellen konnte ich es mir noch nicht, aber am Sonntag war es dann tatsächlich so. Nach einigen Wiederholungen und Ballgewöhnung waren alle Teilnehmer hoch motiviert und voller Vorfreude, um endlich das Spiel von 2×15 Minuten mit kompletter Blindenfußballausrüstung und echten Bedingungen zu starten. Jeder bekam eine Schwarzbrille und gepolsterte Schutzkleidung für die Gesichtsknochen. Wir teilten uns in zwei Mannschaften mit jeweils vier Feldspielern, einem Torwart und Seiten- bzw. Tor-Guide auf und „los ging´s!“. Mit viel Konzentration und Eifer rannten die Feldspieler dem Rasselball hinterher und hörten gleichzeitig auf die Signale und Anweisungen der Mitspieler. Nach einigen Spielpositionswechseln wurden wir immer mutiger und das Spiel wurde sichtbar schneller.
Außer leichten Zusammenstößen gab es keinerlei ernsthafte Verletzungen, sodass am Ende des Seminars alle zufrieden und durch die Bank begeistert, mit zahlreichen neuen Eindrücken und Erfahrungen nach Hause gingen. Zu erleben und zu spüren, wie es ist sich blind sportlich fortzubewegen, war eine einzigartige Erfahrung und hat mein Verständnis für Inklusion im Sportbereich erweitert. Ein solches Seminar sollte jedes Semester angeboten werden, darin waren sich die Studenten alle einig. Die Sportart Blindenfußball kennenzulernen hat großen Spaß gemacht und ist für alle Fußballfans oder Sportler sicherlich eine super Alternative zu dem Herkömmlichen und Bekannten.
(Lena Väth © 2013)