Hallentrophy 2013 als Inklusions-Experiment (Teil 3)

Im Rahmen der Hallentrophy 2013 am 7. Dezember in Kaiserslautern wird ein offizielles Ligaturnier für Spieler mit einem Sehrest von mehr als 10% (B3+) geöffnet.

Blindenfussball.net möchte diese neue Entwicklung diskutieren.
Nachfolgend findet ihr den dritten Teil des Berichts. Teil 1 und Teil 2 sind am 11. bzw. 13. November auf diesen Seiten veröffentlicht worden.

Welche Motivation könnte denn ein sehender Sportler haben, sich künstlich das augenlicht zu nehmen, um unter der Dunkelbrille zusammen mit seinen seheingeschränkten Mitspielern dem rasselnden Leder nachzujagen? Hierbei muss unterschieden werden, ob dieser betreffende Spieler selbst eine Seheinschränkung besitzt oder nicht. Falls er selbst sehbehindert ist, kann es sein, dass er durch die Teilnahme am Blindenfußball eine Möglichkeit sieht, mit gleichen Chancen seiner Fußball-Leidenschaft nachgehen zu können. Dieses ist ihm möglicherweise beim Kicken mit seinen sehenden Freunden nicht vergönnt und führt ihm permanent seine Seheinschränkung vor Augen. Er ist durch seine Seheinschränkung nicht in der Lage, annähernd mitzuhalten und dadurch frustriert.

Als Hauptmotivation für jemanden, der gar keine Seheinschränkung besitzt, ist vermutlich der Reiz des Ausprobierens. man begibt sich in eine völlig neue Umgebung und nimmt sich absichtlich die visuellen Reize, die im Alltag für die Bewegung und Orientierung für diese Personengruppe so wichtig sind. Es wäre interessant, einmal diese Personen zu befragen, was ihre Beweggründe für ein Kicken unter der Dunkelbrille sind. ob diese Personen dann allerdings dauerhaft beim Blindenfußball dabei bleiben oder das Kicken unter der Dunkelbrille nur als einmaligen Test betrachten, bleibt abzuwarten. Es wurden mittlerweile durch diverse Projekte wie beispielsweise die „Neue Sporterfahrung“ der Deutschen Telekom oder Demo-Spiele in den Pausen diverser Vereins- und Städtespieltage Möglichkeiten geboten, dass „Normalsehende“ unter die Dunkelbrille in die Rolle eines Blindenfußballers schlüpfen konnten.

Bei einem weiteren Blick in die Zukunft stellt sich noch eine wichtige und seitens der Kritiker oft gestellte Frage: Verhelfen Spieler mit höherem Sehrest einer Mannschaft zum Erfolg, wandern dann die Blinden Fußballer nach und nach in die zweite Reihe ihres Teams ab? Auch wenn vielen Sehenden dieser Gedanke angesichts der Hilflosigkeit von Spielern bei Demo- und Präsentationsspielen kurios erscheint, ist bislang nicht bekannt, wie gut sich ein Spieler mit höherem Sehrest nach längerem Training auf dem Blindenfußballplatz bewegen kann.

Beispiele aus anderen Sportarten wie dem Rollstuhlbasketball oder dem Goalball zeigen Wege auf, wie diesem Problem möglicherweise begegnet werden kann. Hier wurde der nationale Ligabetrieb vor Kurzem auf Grund des fehlenden Nachwuchses für nichtbehinderte Sportler geöffnet, für die die Sportart im eigentlichen und engeren Sinne nicht konzipiert wurde.

Als paralympische Blindenteamsportart weist Goalball eine wesentlich längere Geschichte als der Blindenfußball auf. Die Spieler werden ebenfalls in den Klassen B1 bis B3 klassifiziert, treten aber unabhängig von ihrer Startklasse gemeinsam unter der Augenbinde zu Wettkämpfen an. Diese Regelung hat zur Folge, dass in vielen Teams kaum vollblinde, also mit B1 klassifizierte, Spieler aktiv sind. Laut Regelwerk werden Spieler, die während des Spiels ihre Augenbinde berühren, bestraft. Eine so strikte Regelung sollte auch im Blindenfußball Einzug halten. Dennoch ist auch hier das Training unter Wettkampfbedingungen, heißt komplett verdunkelt, ausschlaggebend für den Erfolg in Spielsituationen. Gegner sprechen oft davon, dass sehende Spieler durch das Betrachten von Spielen einen unverhältnismäßig hohen Trainingseffekt hätten. Dabei wird jedoch vergessen, dass vollblinde Spieler durchs Zuhören und vor allem durchs direkte Erleben auf dem Platz ebenfalls einen Trainingseffekt gewinnen und nicht pauschal gesagt werden kann, dass dieser akustisch-haptische Eindruck geringer als der visuelle Eindruck ausfällt. Die Erfahrungswelten zweier Wahrnehmungsweisen sollten hier unvoreingenommen und gleichwertig aufeinandertreffen.

Eine Begrenzung der Spieler mit höherem Sehrest erscheint zunächst als naheliegende Lösung und wurde von den Veranstaltern der Hallentrophy auch gewählt. Aus den Reihen der DBFL-Teams kam im Laufe der Saison 2013 auch die Anregung, den Ligabetrieb in Deutschland eventuell für Interessenten mit einem Sehrest von mehr als 10% zu öffnen. Gemeinsam mit dem Ligaausschuss wurde nun also im Rahmen der Ligavorstandssitzung am 15. Oktober 2013 in Hannover beschlossen, die Hallentrophy als Testballon für eine Öffnung des Blindenfußballs in Deutschland für B3+-Spieler zu nutzen.

Jede Mannschaft hat dort nun die Möglichkeit, Mitspieler mit höherem Sehrest als ca. 10% zu melden. In wie weit diese Möglichkeit seitens der Mannschaften angenommen wird, zeigt sich dann am 7. Dezember in Kaiserslautern.

Blindenfussball.net wird diese Diskussion aufmerksam verfolgen und in nächster Zeit durch einige weitere Berichte unterfüttern.