Peter Gößmann, Trainer der Sportfreunde Blau-Gelb Marburg, Deutscher Meisters 2008 und 2012, berichtet ausführlich über die aktuellen Veränderungen in Marburg und wagt einen Ausblick auf die Saison 2013.
B.Net: Hallo Peter. Mit Deinen Jungs von den Sportfreunden Marburg gehst du in die mittlerweile sechste Saison der DBFL. Wie werdet Ihr euch im Vorfeld auf die Saison 2013 vorbereiten?
Peter Gößmann: Naja, mit intensivem Training natürlich. Wir haben 2 x in der Woche Training, versuchen noch wenigstens ein Vorbereitungsspiel auszutragen und hoffen oft outdoor trainieren zu können.
B.Net: Nach 2008 konntet Ihr 2012 erneut die Meisterschaft für Euch entscheiden. Sicherlich geht Ihr voller Siegeswillen in die neue Saison. Dürfen wir hier vom Motto Titelverteidigung ausgehen oder hast du andere Ziele für 2013 vor Augen Stichwort Nachwuchsarbeit?
Peter: Wir sind – glaube ich – nicht so naiv anzunehmen, dass es dieses Jahr wieder genauso glücklich und positiv laufen muss wie in der letzten Saison. Trotzdem werden wir versuchen wieder attraktiven und angriffsorientierten Fußball zu bieten; mit all den uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Was den Nachwuchs angeht, so muss man gerade da große Geduld aufbringen und sehen, wie sich die neuen Kräfte entwickeln. Zum Einsatz werden sie auf jeden Fall kommen.
B.Net: In der Liga hat sich einiges verändert bzw. verschoben. An der Spitze tummeln sich mittlerweile nicht nur die Teams aus Marburg und Stuttgart. Auch Berlin/Braunschweig und Würzburg sowie Köln zeigen sich auf dem Podium. Denkst du, dass dieses Auftauchen 2012 nur ein kurzer Auftritt war oder ist eine Entwicklung im Gange, die nach drei Meisterschaften des MTV nunmehr zu einem spannenderen Meisterschaftskampf wird?
Peter: Wir in Marburg sind nach wie vor der Meinung, dass die Stuttgarter in Bestbesetzung kein Team der Liga schlagen kann. Und so werden auch wir dieses Jahr weiter daran arbeiten vielleicht etwas näher ranzukommen. Durch den regen Austausch innerhalb der Nationalmannschaft ist hier eine Grundlage geschaffen. Ich glaube auch für die anderen Teams geht es eher darum, genügend Spieler und Spielerinnen für unser tolles Spiel zu finden, diese dann ausreichend an den Spieltagen zur Verfügung zu haben und sich mit Spaß und Begeisterung in die Liga zu stürzen.
B.Net: Der ISC Dortmund kehrt so wie es aussieht als eigenständiges Team in die Liga zurück. Für euch ein alter Bekannter, spieltet ihr schon zahlreiche Freundschaftsspiele in den letzten Jahren. Zu den drei bekannten Neuzugängen zählt auch Exnationalspieler Cengiz Dinc. Der Torschützenkönig aus 2010 spielt nach zwei Jahren Eintracht Braunschweig wieder für Dortmund. Taucht mit Dortmund und Dinc nun eine weitere Mannschaft an der Spitze der Tabelle auf und was sagst Du zum endgültigen Ausscheiden von Ligagründungsmitglied Thorsten Peitzmeier vom ISC Dortmund? Und hast du Ideen wie man die Erfahrung solcher Spieler in den Teams halten kann?
Peter: Ich finde es super, dass Dortmund wieder dabei ist. Wir freuen uns auf hochklassige und spannende Matches. Engagierte Menschen wie Thorsten braucht man immer, muss aber auch akzeptieren, wenn sie andere Prioritäten setzen.
B.Net: Kommen wir direkt zu Deinem Team. Wie wir hörten hat Bernd Kerseboom das Team verlassen, Robert Warzecha ist beruflich eingespannt und Adriani Botez plant einen studienmäßigen Auslandsaufenthalt. Gelingt es Dir 2013 eine Meistermannschaft aufs Feld zu bekommen und wie sieht es mit dem Nachwuchs bei Euch aus?
Peter: So richtig klar, wer bei uns definitiv auflaufen wird, ist es noch nicht. Fakt ist, dass unser bewährter Spieler Bernd Kerseboom leider aufgehört hat und auch andere Spieler eher begrenzt zur Verfügung stehen. Und ob die dann antretende Mannschaft eine Meistermannschaft ist, stellt sich am letzten Spieltag spätestens raus.
Beim Training mit dem Nachwuchs haben wir (Manfred Duensing und ich) im Moment sehr viel Spaß, obwohl wir da eine ziemlich heterogene Truppe zusammen haben; aber immerhin sind manchmal bis zu zehn Mädels und Jungs beim Training und es wird sehr viel gelacht.
B.Net: Die SSG-blista und auch die Sportfreunde Marburg standen immer für Integration im Blindenfußball und Sport allgemein. Deutlich wurde dies immer dadurch, dass die Mannschaft einen sehbehinderten Torwart eingesetzt hat. Seit der Meistersaison 2012 war dies nicht mehr so. Wurde Sebastian Schleich speziell für den Meisterschaftskampf ins Team geholt?
Peter: Unser Beitrag zur Integration ist jetzt eben, dass Sebastian bei uns spielt. Nein, Spaß beiseite: Markus Moj stand uns nicht mehr zur Verfügung und Niclas Schubert war mehr als ein halbes Jahr verletzt; so traf es sich hervorragend, dass sich uns in Sebastian Schleich ein Torwart anschloss, der vom Können und von der Leistung her, besonders aber auch menschlich, ausgezeichnet zum Team passt.
B.Net: Der Bundestrainer hat im Juni 2012 bereits Robert Warzecha und Alican Pektas ins Nationalteam berufen. Beide standen auch schon bei einem offiziellen Länderspiel auf dem Platz. Im Laufe des Jahres wurden weitere Spieler aus Marburg in den erweiterten Kader berufen, gleichzeitig startete eine engere Kooperation zwischen Nationaltrainer und dem Marburger Trainerstab. Wie sieht es diesbezüglich aus Deiner Sicht aus – Sind die Jungs nun bereit für die große Bühne? Vor ein zwei Jahren wurden Bundestraineranfragen noch eher vorsichtig beäugt – nicht nur von den Spielern selber.
Peter: Schön, dass sich da viel geändert hat. Ich glaube, meine Jungs sind „heiß“ auf die Nationalmannschaft und freuen sich, sich mit so erfahrenen Mitspielern messen zu dürfen. Ob sie dann auch mithalten können, wird man sehen; zumindest Ali und Taime sind ja noch ziemlich jung. Toll finde ich auch, dass die Kooperation mit dem Trainerteam der Nationalmannschaft so gut klappt und Olly Einloft mit eingebunden ist. Ich hoffe, dass die Nationalmannschaft durch den größeren Konkurrenzkampf noch stärker, weniger berechenbar und variantenreicher wird und wünsche dazu dem Bundestrainer und seinem Team alles Gute.
B.Net: Kommen wir zurück in die Liga und Blindenfußball allgemein. Seit Januar sind die Spielorte 2013 bekannt. In Hessen fand bislang nur ein Spieltag statt (2010). 2013 steht Marburg erneut nicht auf dem Spielplan. Hattet Ihr euch beworben?
Peter: In den letzten Jahren war das von unserer Seite aus einfach organisatorisch nicht zu leisten. Wir stehen aber wieder für die Ausrichtung bereit.
B.Net: Im Liga-Ausschuss wurde vor Jahren schon einmal darüber gesprochen, dass der Meister des Jahres auf jeden Fall einen Spieltag in der Folgesaison erhalten sollte; vielleicht sogar den Eröffnungsspieltag. Was hältst Du von dieser Idee, sollte man diese weiter verfolgen?
Peter: Da würden wir ja künftig nur in Stuttgart beginnen – aber trotzdem glaube ich, die Idee ist gut und sollte weiter verfolgt werden; wir kommen auf jeden Fall gerne nach Stuttgart.
B.Net: In den letzten Jahren ist der Blindenfußball immer schneller geworden. Neben Sprints führen einige Spieler im Höchsttempo den Ball über das Feld. Immer wieder kommt es vor, dass durch diese Geschwindigkeit Fouls durch zu spätes „Voy“ von Verteidigern passieren. Einige Spieler hat dies schon abgeschreckt. Meinst Du, dass die Voy-Regel zu lasch gehandhabt wird, immerhin weist das Regelwerk einen Rufabstand von drei Metern aus. Stellenweise wird „voy“ erst bei Kontakt mit dem Ballführenden oder gar nicht gerufen. Sollte hier mehr an die Schiedsrichter appelliert werden, um unnötigen Verletzungen auch vorzubeugen? Oder gehst du damit konform, dass dies normal ist und locker gehandhabt werden kann.
Peter: Zunächst einmal steht für uns alle die Gesundheit der Spieler an erster Stelle und meiner Meinung nach ist da die Voy-Regel eine feste Konstante. Die Beobachtung von internationalen Spielen auf hohem Niveau zeigt aber, dass, je besser die Spieler ausgebildet und die Spiele sind, desto weniger voy gerufen werden muss und auch ein Kopfschutz überflüssig ist. Für die Schiedsrichter bedeutet das ein hohes Maß an Sensibilität und Einfühlungsvermögen. Ich glaube auch, dass hier in der letzten Saison zu wenig auf das rechtzeitige voy geachtet wurde.
B.Net: Eine Frage zur Zukunft im Blindenfußball und der Entwicklung: Wie siehst du die derzeitige Entwicklung im Blindenfußball mit Städtespieltagen, die Wirkung in der Öffentlichkeit, das Ziel der Neugewinnung von Spielern und wie siehst du die Zukunft im Hinblick darauf, dass eigentlich 2013 das Engagement der Sepp-Herberger-Stiftung ausläuft?
Peter: Was für eine Vielzahl an Fragen – aber ich sehe die Entwicklung des Blindenfußballs durchaus positiv. Wäre auch jammerschade, wenn all die Energien, die hier investiert wurden, auf einmal umsonst angelegt wären. Deshalb hoffe ich natürlich auch, dass die Sepp-Herberger-Stiftung uns weiterhin unterstützt. Viel positiven Input sehe ich auch in den sehr jungen Abteilungen, die sich z. B. in Bremen und anderen Städten gebildet haben.
B.Net: Abschließend noch die obligatorische Frage: Peter, wo siehst du Deine Jungs am Ende der Saison?
Peter: Zufrieden und bester Stimmung in einer Gaststätte in Marburg den Ausklang einer hoffentlich spannenden, verletzungsarmen und erfolgreichen Saison feiern.
B.Net: Danke Peter für diese vielschichtigen Einsichten in euer Team. Blindenfussball.net wünscht dir und deiner Mannschaft alles Gute für die kommende Saison und für die weitere Entwicklung des Blindenfußballs in Marburg!