Erster Leistungstest gegen Frankreich

Das Team der deutschen Blindenfußball-Nationalmannschaft reiste am vergangenen Wochenende für zwei Länderspiele gegen Frankreich nach Schiltigheim bei Straßburg. Die Partien gegen den amtierenden Vizeeuropameister waren für Deutschland der Auftakt in das Europameisterschaftsjahr.

Nur knappe zwei Fahrstunden vom Nationalmannschaftsstützpunkt Stuttgart entfernt wurde das erste Länderspiel in diesem Jahr für das deutsche Team bereits am Freitag um 14.30 Uhr angepfiffen. Aufgrund privater Terminschwierigkeiten und Verletzungen konnte Coach Pfisterer im ersten Spiel lediglich auf den Rückkehrer Vedat Sarikaya, den Marburger Angreifer Alican Pektas, Hamburgs Serdal Celebi und Kapitän Alexander Fangmann setzen. Bayram Dogan vom FC Schallke 04 wurde im Zuge dieser starken Dezimierung nachnominiert.

Als die deutsche Auswahl schließlich am Freitag im beschaulichen Schiltigheim ankam, wurde das Spiel nach unzufriedenstellend kurzer Aufwärmphase angepfiffen. In der Startformation standen neben dem Stuttgarter Keeper Gianmarco Blancone in der Defensive Bayram Dogan und Alexander Fangmann sowie im Angriff Alican Pektas und Vedat Sarikaya. Wegen der mangelnden Spielvorbereitung und den ungewöhnlichen Platzverhältnissen mit aufblasbaren Banden kam Deutschland zunächst sehr schlecht in die Partie. Dennoch zeigte sich die französische Nationalmannschaft nicht wirklich überlegen. Angriffe konnten bereits im Mittelfeld abgefangen werden. Insgesamt kamen die Franzosen in der ersten Hälfte lediglich einmal zu einem gefährlichen Abschluss, der jedoch nicht in die Maschen einschlug, sondern in Blancone seinen Meister fand. Nach einer Verletzung Fangmanns übernahm Celebi die zentrale Spielposition. Der in diesem Spiel als Guide agierende Thilo Nowak, normalerweise Physiotherapeut des Nationalteams, animierte sein Angriffsduo lautstark, sah aber kaum gefährliche Abschlüsse.

Nach Wiederanpfiff kehrte Fangmann für Dogan zurück auf den Platz. Die zweiten 25 Minuten agierte Deutschland zwar schon leicht verbessert, aber zwingende Torchancen konnte man sich dennoch nicht erarbeiten. Auf der Gegenseite versuchte Frankreich durch Kombinationsspiel gefährliche Situationen zu kreieren, was aber nicht gelang. Umso überraschender kam der wenige Minuten vor Schluss von Frankreichs Defensivakteur Yvan Wouandji gestartete Sololauf. Wouandji bekam die Kugel tief in der eigenen Hälfte zugespielt, marschierte über die linke Seite los, ließ zunächst Pektas und dann Fangmann und Celebi gekonnt stehen und krönte sein Solo mit einem perfekt platzierten Schuss gegen die Laufrichtung des deutschen Keepers zum Siegtreffer. Das Video dieses spektakulären Laufs erreichte seit seiner Veröffentlichung auf YouTube bereits knapp 300.000 Aufrufe und wurde vielfach in internationalen Medien erwähnt.

Im Laufe des Freitagabend traf dann für das Spiel am Samstag Taime Kuttig als Verstärkung ein. Der 22-Jährige erhielt von seinem behandelnden Arzt nach seiner langwierigen Verletzung im August letzten Jahres erstmals grünes Licht für ein offizielles Spiel. Neben Kuttig reisten Fitnesscoach Desmond Thompson, Guidin Jule Söhner und Torwart Enrico Göbel an.

Schon beim Vorbereitungstraining am nächsten Tag standen die Zeichen für Deutschland für das zweite Spiel gegen den Gastgeber sehr gut. Pfisterer und Husmann gaben in der darauffolgenden Mannschaftsbesprechung die Marschroute für das nächste Spiel vor. So sollte der erste Sieg gegen Frankreich in der deutschen Blindenfußballgeschichte eingefahren werden. In der Startformation standen neben den drei Marburgern Torwart Sebastian Schleich, Taime Kuttig und Alican Pektas, Kapitän Alexander Fangmann und Angreifer Vedat Sarikaya. Deutschland begann das Spiel mit sehr viel Druck auf das französische Tor. Sowohl Pektas, als auch Sarikaya versuchten den Abwehrriegel des Gegners zu bezwingen. Schließlich war es Sarikaya, der den Ball im Mittelfeld behauptete, die Kugel aus sieben Metern auf halber Höhe im französischen Gehäuse unterbringen konnte und so zum ersten Treffer Deutschlands gegen Frankreich einnetzte.

Die unkomplizierte Spielweise der beiden Defensivakteure Fangmann und Kuttig verhinderte immer wieder das Eindringen eines französischen Angreifers in den Strafraum. Die Auswechslung von Kuttig aufgrund einer Vorsichtsmaßnahme bezüglich seiner vergangenen Verletzung änderte daran bis zum Halbzeitpfiff nichts, Dogan sicherte vor Schleich perfekt ab.

Nach der Pause stand erneut die Starting Four aus Halbzeit eins auf dem Platz. Frankreich agierte nun wesendlich offensiver und versuchte der deutschen Mannschaft das Heft aus den Händen zu entwenden. Deutschland behielt zwar weiterhin die Oberhand, musste jedoch in der 35. Minute einen unglücklichen Gegentreffer hinnehmen: Frankreichs Morgado kam nach einem Freistoßlupfer über die rechte Seite, jedoch aus sehr spitzem Winkel auf Keeper Schleich zu. Der sehr schwache Schuss kam an den kurzen Pfosten und glitt Schleich aufgrund regnerischer Wetterverhältnisse durch die Hände. Unbeeindrukt des Ausgleichs drückten Sarikaya und Pektas weiterhin auf den erneuten Führungstreffer. Nach einem Zusammenstoß musste Pektas verletzungsbedingt den Platz verlassen. Seine Position wurde im weiteren Verlauf von Serdal Celebi eingenommen. Nach wenigen Minuten kam Sarikaya zu einer unverhofften Torchance: Frankreichs Keeper rutschte beim Abwurf aus, ließ den Ball aus den Händen fallen, . Sarikaya nutzte mithilfe von Guidin Söhner diese Möglichkeit und reagierte blitz schnell mit einem Schuss, der in die untere rechte Torecke einschlug. Der Treffer wurde jedoch von den Unparteiischen nach langen Diskussionen nicht gegeben, weil der Ball den Sechsmeterraum nicht verlassen hatte und somit noch nicht im Spiel war. Unklar war jedoch, ob der französische Schlussmann den Ball von einem Mitspieler erhalten hatte oder ihn aus dem Aus geholt hatte. Es blieb auf jeden Fall weiter beim Remis. Beide Teams drückten in der Schlussphase weiter auf den Siegtreffer, jedoch konnten sich die Angreifer beider Seiten nicht zwingend durchsetzen. Somit blieb es beim für Deutschland am Ende sogar enttäuschenden 1:1-Unendschieden.

Nach dem Spiel war das Team zwar enttäuscht über einen verpassten Sieg, konnte jedoch sehr positive Ansätze für die kommende Vorbereitung auf die Europameisterschaft entdecken. Immerhin konnte man den Vizeeuropameister über einen Großteil der Spieldauer kontrollieren und in die Defensive drängen. Zukünftige Testspiele gegen die französische Klubmannschaft aus Bordeaux und die russische Nationalmannschaft in St. Petersburg oder auch die im Juli anstehenden Länderspiele gegen Belgien und Spanien werden weitere Kenntnisse über die deutsche EM Vorbereitung liefern. Die so wichtige Europameisterschaft steigt vom 22. bis 29. August im englishen Hereford und hält für die Endspielteilnehmer die begehrten zwei Tickets für die Paralympics in Rio de Janeiro 2016 bereit.