„Mit dem Blindenfußball in die Mitte der Gesellschaft“
Unter diesem Motto steht die Städteserie, mit welcher die Deutsche Blindenfußball-Bundesliga (DBFL) seit 2011 in mittlerweile zehn Städten Deutschland weit gastierte. Durch Blindenfußball Aufmerksamkeit erwecken und neben Zuschauern auch Medien für diese Sportart zu begeistern ist seit Jahren Ziel aller Aktiven. Doch hat man sich in Blindenfußball-Kreisen darunter eine Berichterstattung vorgestellt wie sie am Samstag, den 30. November 2013 von der Berliner Tageszeitung „TAZ“ veröffentlicht wurde?
„Die Wahrheit“-Redaktion der TAZ, die sich selbst als einzig wahre Satire- und Humor-Seite bezeichnet, verfasste folgende fragwürdige Meldung, welche unter dem Titel „Gurke des Tages“ veröffentlicht wurde: „EinsPlus zeigt am Sonntag eine Reportage über „Robert Warzechas Weg in die Blindenfußball-Nationalmannschaft“, wie der Fernsehsender jetzt in einer Pressemitteilung ankündigte. Wer immer auch Robert Warzecha ist, dafür braucht es doch keine Fernsehreportage. Der Weg des blinden Fußballers lässt sich doch auch in wenigen Worten nacherzählen: „Aua, huch, oh, nanu, uups, oje, hoppla, ach, seufz, o weh . Sorry, Schiri. Ich dachte, Sie wären dieser verdammte Torpfosten!“
Ist jene Äußerung der genannten Redaktion noch von Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt oder werden hier sowohl rechtliche Grenzen, als auch diejenigen des guten Geschmackes überschritten? Dürfen derartige Äußerungen neben dem angesprochenen Spieler auch eine gesamte Behindertensportart verunglimpfen oder sind sie einfach nur respektlos?
Unter dem Begriff der Satire versteht man Äußerungen, welche durch Übertreibung und Ironie an Personen und Ereignissen Kritik üben, um Missstände aufzudecken und missliebige Zustände anzuprangern. Fraglich ist aber, ob durch eine derartige Äußerung eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema „Blindenfußball“ erfolgte und welche Missstände damit hätten aufgedeckt werden sollen. Ohnehin macht der Artikel deutlich, dass sich offensichtlich von Seitens der Redaktion niemand mit der Thematik befasst hat. Die Formulierung „Wer immer auch Robert Warzecha ist“ zeigt, dass keinerlei Kenntnisse der Autoren zum Deutschen Blindenfußball vorliegen. Schließlich handelt es sich hierbei doch um den Abwehrspieler der Saison 2012 und einem aktiven Nationalspieler.
Vielleicht an dieser Stelle nur so viel als kleine Randnotiz: Während der Europameisterschaft 2013 schlug die Deutsche Blindenfußball-Nationalmannschaft in Italien den Gastgeber mit 1:0. Damit gelang den blinden Sportlern ein Erfolg, auf welchen ihre sehenden Kollegen seit 1995 warten. Teil jener Mannschaft war unter anderem Robert Warzecha.
Geht man also ohne jede Form von Vorkenntnis, Hintergrundwissen und Recherchen an eine Thematik heran, um sich über diese zu äußern, stellt sich weiter die Frage, ob jene Berichterstattung dann noch von der grundrechtlich verbrieften Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist. Zwar gewährleistet Artikel 5 des Deutschen Grundgesetzes eine zensurfreie Meinungsäußerung sowie Berichterstattung, Grenzen werden jenem Grundrecht aber durch gesetzliche Vorschriften sowie die persönliche Ehre eines jeden einzelnen gesetzt. So z.B. wenn die Schwelle zur Beleidigung überschritten und demnach eine Straftat begangen wird. Schließlich wird jeder Einzelne durch das ihm zustehende Persönlichkeitsrecht vor Verunglimpfung geschützt.
Wenn nun also unter dem Deckmantel der Satire und dem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit ein Artikel veröffentlicht wird, welcher eine namentlich erwähnte Person als plump und dumm darstellt und damit zugleich eine gesamte Behindertensportart ins Lächerliche zieht, sind diejenigen Grenzen definitiv überschritten. Eine solche Berichterstattung verletzt nicht nur das Persönlichkeitsrecht des genannten Spielers, sondern macht gleichermaßen die Arbeit, den Einsatz und das Engagement eines jeden einzelnen, der sich in den vergangenen Jahren immer wieder für den Deutschen Blindenfußball eingesetzt hat, zu Nichte. Egal ob nun Spielerinnen und Spieler, Team-Betreuer, Trainer und Verantwortliche oder Liga-Träger und Unterstützer, niemand hat es verdient, dass deren Engagement für den Behindertensport am Ende beleidigt wird. So bedeutet nun aber „Mit dem Blindenfußball in die Mitte der Gesellschaft“ auf keinen Fall, dass dadurch nur positive Reaktionen hervorgerufen werden sollen. Die Aktiven der Deutschen Blindenfußball-Bundesliga sind keinesfalls aus Zucker. Denn so wie jeder Sportler an seiner Leistung gemessen wird und dann und wann Kritik fürchten muss, sind auch Spielerinnen und Spieler sowie Mannschaften jederzeit bereit sich mit negativen Äußerungen zu ihrer Person sowie zu ihrem Verein auseinanderzusetzen, wenn ein Anlass hierfür besteht! Niemand erhebt den Anspruch auf eine Sonderbehandlung aufgrund einer vorhandenen Behinderung, sondern ist gerne bereit sich konstruktiver Kritik zu stellen.
Hierzu äußert sich Manuela Schmermund, Aktivenvertreterin des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), wie folgt: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht – …aber nicht um JEDEN Preis!
Die Athleten in unserem Verband sind sicherlich die ersten, die sich selbst nicht so ernst nehmen und mit ihrer jeweiligen Einschränkung „entspannt“ umgehen. Dies darf jedoch nicht dazu führen respektlos und auf einer solch flachen Ebene Menschen vorzuführen. Satire darf hier nicht für jede geistige Entgleisung herhalten. An dieser Stelle den Rat: erst denken, dann schreiben.“
In Zeiten von Integration und Inklusion sollen Barrieren abgebaut werden, um so zu einer inklusiven Gesellschaft zu gelangen. Das vorliegende Beispiel zeigt aber, dass gerade in den Köpfen noch Mauern eingerissen werden müssen, um tatsächlich von gelebter Inklusion sprechen zu können. Warum sonst würde ohne weitere Informationsbeschaffung der Deutsche Blindenfußball mit den Worten „Aua, huch, oh, nanu, uups, oje, hoppla, ach, seufz, o weh“ beschrieben und indirekt damit zugleich ein ablehnendes Statement zum Behindertensport im Allgemeinen abgegeben werden?
Empört reagierte ebenfalls DBS-Präsident Friedhelm-Julius Beucher auf den „redaktionellen Missgriff“ der taz. Beucher erwartet von der taz-Chefredakteurin Ines Pohl am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung eine Entschuldigung bei „allen Sehbehinderten und Blinden“.
Die WAZ zitiert heute zudem Marburgs Abwehrchef Warzecha und auch Bundestrainer Ulrich Pfisterer in einem Artikel.
Als erster reagierte der Münchener Grünen-Politiker Thomas Pfeiffer auf die so genannte Gurke des Tages. Mithilfe eines offenen Briefes wandte er sich bereits am Sonntag an die taz-Redaktion und erntete breite Zustimmung in Kommentaren auf Twitter.
Am Ende kann festgehalten werden, dass es einmal mehr ein Leichtes war trotz völliger Ahnungslosigkeit einen Artikel zu einem für die Redaktion unbekannten Thema veröffentlichen zu können. Tut sich „Die Wahrheit“-Redaktion nun aber ebenso leicht mit der Entscheidung gegen die Deutsche „Aua, huch, oh, nanu, uups, oje, hoppla, ach, seufz, o weh“ Blindenfußball-Nationalmannschaft zu spielen?
2 Antworten auf „„Aua, huch, oh, nanu, uups, oje, hoppla, ach, seufz, o weh““
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