B.Net fragt nach: Interview mit Hasan Caglikalp

In der Interview-Reihe „B.Net fragt nach“ werden in den nächsten Wochen bis zum Saisonstart am 13. April in Braunschweig Spieler, Trainer und Beteiligte der deutschen Blindenfußballgemeinde zu Wort kommen.
Als erster Gesprächspartner sitzt uns Hasan Caglikalp, Spieler und Trainer des ISC Viktoria Dortmund, am virtuellen Mikrofon gegenüber.

B.Net: Als Gründungsmitglied der Liga war der gemeine Fan überrascht, als es 2011 eine Saison ohne den ISC Dortmund gab. Einige gingen sogar bei Vermutungen so weit, dass in Dortmund keine Ligamannschaft mehr spielen wird. 2012 war dies schon anders; der ISC war wieder da, zusammen mit dem FC St. Pauli als Spielgemeinschaft.
Durch die Neuerungen beim ISC liegt der Gedanke nahe, dass Dortmund in der anstehenden Saison wieder eigenständig antreten wird. Ist dies so oder haltet ihr an der SG mit dem FC St. Pauli fest?

Hasan Caglikalp: Es werden sehr schnell Vermutungen angestellt. Diese werden dann genauso schnell als Realität verbreitet und/oder wahrgenommen. Durch die Neuzugänge werden wir dieses Jahr eigenständig sein. Ich hoffe, es wird auch für die Zukunft so bleiben.

B.Net: In einer Spielgemeinschaft kann man sich vorstellen, dass es durchaus andere Vorstellungen seitens der Trainer und Spieler gibt. Wie lief dies bei Euch mit Hamburg ab – immerhin vereinte sich hier ein leistungsorientiertes Team mit Titelambitionen und ein eher freizeitmäßig agierendes Team. Gab es bei Euch eine Art Koalitionsvereinbarung und wer führte am Ende die Mannschaft nach Außen?

Hasan: In einer Gemeinschaft muss man immer Kompromisse schließen. So war es auch in diesem Fall. Wir von unserer Seite haben den Auftritt in der Liga als Training betrachtet. Dadurch, dass ich Spieler war, stand für viele Wolf im Fokus. Das war Okay so.

B.Net: Hasan, Einige Neuzugänge verstärken den ISC. Wie wird der Trainingsbetrieb auf die auswärtigen Spieler zugeschnitten und werdet ihr besonders viele Vorbereitungsspiele absolvieren, um euch so zu finden und einzuspielen?

Hasan: Wir möchten natürlich allen Spielern gerecht werden und unser Training entsprechend konzipieren. Auch Trainingsspiele werden wir versuchen zu absolvieren. Jedoch muss man schauen, ob und wie wir und unsere möglichen Trainingspartner es Zeitlich hinbekommen.
Hinzu kommen Trainingseinheiten und die Deutsche Meisterschaft (16.03.2013) in Torball. Wir sind also in zwei verschiedenen Sportarten mit nahezu gleichen Spielern aktiv. Somit wird unsere Vorbereitung doch etwas eingeschränkt sein.

B.Net: Sind die Verstärkungen aus Braunschweig, Cengiz Dinc und Samsam „Sami“ Setoodeh, und Marburg, U21-Lehrgangsteilnehmer Christoph Kaercher, ein Argument, um auf Understatement zu machen und die Karte „Wir müssen uns erst finden“ auszuspielen oder um zu sagen: Mit dieser Truppe wollen wir wieder oben angreifen?

Hasan: Nein, wir möchten kein Understatement machen. Wir müssen schauen, wie oft wir trainieren und wie sich die Spieler im Einzelnen und dann im Block entwickeln. Bereits 2009 und 2010 hat man ja gesehen, wie sich unsere Mannschaft im Laufe der Saison von Spiel zu Spiel entwickelt hat. Wenn wir Platz vier erreichen ist es Okay. Allerdings, betrachtet man die Leistungen der Mannschaften aus der letzten Saison, dann muss unser Ziel (wenn alles gut läuft) das Treppchen sein. Die drei Zugänge aus Marburg und Braunschweig werden uns bei unseren gesteckten Zielen enorm helfen.

B.Net: In der vergangenen Saison fand ein Ligaspieltag auf dem vereinseigenen Kunstrasenplatz statt. Inwieweit hat dieser Ligaspieltag eurem Verein geholfen eure Bekanntheit innerhalb Dortmunds zu steigern und wie sehr werdet ihr ihn zu Trainingszwecken und Vorbereitungsspielen nutzen?

Hasan: Es ist immer wunderbar, auf dem eigenen Platz einen Spieltag auszurichten. Das Wetter am Sonntag war leider nicht schön. Nein, es war sogar sehr schlecht! Das hat sicher einige davon abgehalten zuschauen zu kommen. Es sind Trainingsspiele geplant. Diese werden nicht nur auf unserem Platz stattfinden. Wir werden unseren Platz natürlich so oft wie möglich nutzen.

B.Net: Mit Cengiz Dinc kehrt nach zwei Jahren ein Ex-Dortmunder zurück. Wird der Torschützenkönig von 2010 in der Saison 2013 wieder eher eine Angriffsposition in eurem Team einnehmen oder setzt Ihr völlig auf die Sturmspitzen Altumbas und Meier?

Hasan: Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Wir haben mehrere Spieler die im Angriff spielen können. Es wird auch vom Gegner abhängen, ob wir mit einem offensiv ausgerichteten Spieler agieren oder gar mit vier. Die Spieler haben im Training und in den Trainingsspielen die Möglichkeit, sich für die entsprechenden Positionen zu empfehlen. Eins ist jedoch sicher: Cengiz Dinc wird bei uns, bei entsprechenden Einsatz ohne Verletzungen, eine Schlüsselrolle sein können.

B.Net: Neben all den Zugängen dürfte das Ausscheiden von ISC-Fußball-Gründer Thorsten Peitzmeier nicht spurlos an euch vorbeigehen, war er doch von Anfang an dabei und formte er zusammen mit dir den Spielstil des ISC. Was sagst du zur Beendigung der aktiven Laufbahn von Peitzmeier und was wird trainerseitens getan oder sollte getan werden, um das Wissen erfahrener Mitstreiter im Team zu halten?

Hasan: Mit Thorsten haben wir sicher, sportlich gesehen, Basisfähigkeiten eingestielt. Dies war auch sehr wichtig.
Ich sehe das so: So wie ich das eben über die Spieler gesagt habe, trifft dies genauso auf alle anderen im Team zu, wie Rufer, Trainer usw.
Natürlich sollte ein Verein bemüht sein erfahrene Leute mit ihrem Wissen an den Verein zu binden. Jedoch gibt es hierfür kein Patentrezept. Wenn du mit Menschen arbeitest, dann bewegst du dich nie auf einer Einbahnstraße. Ebenso müssen sich solche Personen  bemühen, die Sprache der Mannschaft zu sprechen. Ein Thorsten kann für jedes Team sehr wertvoll sein. Ich schätze auch seine Fähigkeiten. Daher hätte ich gerne weiter mit ihm zusammengearbeitet.

B.Net: Zur Ligagründung warst du selber aktiver Spieler, bei größerer Personaldichte zogst du dich vom Feld zurück und steuertest als Trainer das Team, 2012 warst du dann wieder in der SG aktiv. Sieht man dich 2013 wieder auf dem Feld oder ziehst du dich wieder ausschließlich auf die Trainerbank zurück?

Hasan: Lieber ist es mir, wenn wir entsprechende Spieler haben und keine Verletzungen vorliegen.
Dann kann ich mich mit der Entwicklung der Mannschaft beschäftigen.
Aber sobald ich merke, die Mannschaft braucht mich auch als Spieler, werde ich alles Erdenkliche versuchen, um mit auf den Platz zu laufen.

B.Net: In den letzten Jahren ist der Blindenfußball immer schneller geworden. Neben Sprints führen einige Spieler im Höchsttempo den Ball über das Feld. Immer wieder kommt es vor, dass durch diese Geschwindigkeit Fouls durch zu spätes „Voy“ von Verteidigern passieren. Einige Spieler hat dies schon abgeschreckt. Meinst du, dass die Voy-Regel zu lasch gehandhabt wird, immerhin weist das Regelwerk einen Rufabstand von drei Metern aus. Stellenweise wird „voy“ erst bei Kontakt mit dem Ballführenden oder gar nicht gerufen. Sollte hier mehr an die Schiedsrichter appelliert werden, um unnötigen Verletzungen auch vorzubeugen? Oder gehst du damit konform, dass dies normal ist und locker gehandhabt werden kann.

Hasan: Der Schutz der Spieler vor Verletzungen sollte vorrangig berücksichtigt werden.  Allerdings sollten die Schiedsrichter ebenso darauf achten, dass man von außen nicht das Gefühlt bekommt, eine Mannschaft würde bevorteilt. Die Liga ist so schon mit wenigen Teams bestückt, dass wir durch derartig vermeidbares Verhalten nicht noch irgendwelche Splittungen brauchen können. Die Schiedsrichter haben in den letzten Jahren schon große Fortschritte gemacht, dass wir auch für die Zukunft weiter hoffnungsvoll schauen können. Es ist für sie sicher nicht immer einfach zu erkennen, wann eine Aktion gefährlich sein kann. Das rührt daher, dass  Sehende Menschen Aktionen bei Blinden schwer einschätzen können, weil blinde Menschen diese zumindest teilweise in Bruchteilen zeitversetzt wahrnehmen.

B.Net: Eine Frage zur Zukunft im Blindenfußball und der Entwicklung: Wie siehst du die derzeitige Entwicklung im Blindenfußball mit Städtespieltagen, die Wirkung in der Öffentlichkeit, das Ziel der Neugewinnung von Spielern und wie siehst du die Zukunft im Hinblick darauf, dass eigentlich 2013 das Engagement der Sepp-Herberger-Stiftung ausläuft?

Hasan: Bisher war keiner, mit denen ich gesprochen habe, für die Städtespieltage. Ob dadurch neue Spieler gewonnen wurden, ist mir nicht bekannt. Was sicherlich stimmt, die „Breite der Gesellschaft“ nimmt Blindenfußball eher wahr. Für den Anfang ist das vermutlich kein schlechter Gedanke. Ich halte grundsätzlich diese Art von Auftritten für sehr wichtig. Daher ist eine Zusammenarbeit mit der Sepp-Herberger-Stiftung notwendig. Jedoch könnten für solche Anlässe in der Zukunft Pokalspiele, Freundschaftsspiele oder Turniere durchgeführt werden.
Die Ligaspiele gehören für mich auf die jeweiligen Vereinsplätze.

B.Net: Im Liga-Ausschuss wurde vor Jahren schon einmal darüber gesprochen, dass der Meister des Jahres auf jeden Fall einen Spieltag in der Folgesaison erhalten sollte; vielleicht sogar den Eröffnungsspieltag. Was hältst Du von dieser Idee, sollte man diese weiter verfolgen?

Hasan: Dagegen habe ich nichts. Wer Meister wird, kann auch auf diesem Wege zusätzlich belohnt werden.

B.Net: Auch an dich die obligatorische abschließende Frage: Wo siehst du Dein Team am Saisonende in der Tabelle?

Hasan: Am liebsten auf Rang 1! Scherz bei Seite. Wir haben gute Chancen auf Platz drei bis vier zu landen.

B.Net: Vielen Dank, Hasan, für diese interessanten Einblicke in euer Team. Blindenfussball.net wünscht dir und euch viel Erfolg für die Saison 2013 und für die weitere Entwicklung des Blindenfußballs in Dortmund!