B.Net fragt nach: Interview mit Sabrina Führer

In der Reihe Blindenfussball.net fragt nach möchten wir einige Personen aus der Blindenfußballszene interviewen, um etwas zu den Teams, den Planungen und Vorstellungen zu erfahren. Essen als Standort fällt bislang aufgrund der Entscheidung, keine Liga zu spielen, etwas hinten runter. Das möchten wir ändern und denken, dass gerade Essen als Gründungsmitglied der Liga im deutschen Blindenfußball eine wichtige Rolle einnimmt und der interessierte Fan etwas zu und über das Team erfahren möchte.
Heute sthet uns Sabrina Führer als Vertretung vom Team Essen zur Verfügung:

B.Net: Sabrina, du bist eines der Urgesteine im Blindenfußball. Schon beim Initiationsworkshop im Mai 2006 warst du begeistert dabei und hältst dem Sport seither die Treue. Wenn du dich in diese Anfangszeit zurückversetzt: Was hat dich damals am meisten an der rasanten Entwicklung fasziniert und was sind für dich heute, nach knapp sieben Jahren, die Hauptthemen, die dir zum Blindenfußball einfallen?

Sabrina Führer: Es war toll, wie schnell sich ein Netzwerk zusammengeschlossen hat. Wir hatten alle das Ziel den Blindenfußball in Deutschland weiter zu betreiben und aufzubauen.  Wie schnell das dann geklappt hat war schon Faszinierend.
Ich habe mir die Nachwuchsarbeit leichter vorgestellt als sie wirklich ist.
Und leider kehren immer mehr Frauen dem Blindenfußball den Rücken zu.

B.Net: In der Premierensaison 2008 nahm mit den Blind Soccers Rhein/Ruhr noch eine Mannschaft aus Essen am Ligabetrieb teil. Seither wird Essen lediglich als Trainingsstandort geführt. Woran liegt es, dass man euer sympathisches Team nur bei Freundschaftsturnieren zu Gesicht bekommt und wird sich hieran in Zukunft etwas ändern?

Sabrina: Unser Team ist damals nach der Saison auseinander gebrochen. Wir waren viele verschiedene Leute mit unterschiedlichen Ansprüchen. Das passte nicht mehr zusammen. Denjenigen, die dann übrig waren, wurde der Ligabetrieb zu stressig. Wir wollten weiter zusammen kicken. Aber der Spaß im Training sollte an erster Stelle stehen. Wir sind immer noch eine sehr gemischte Gruppe mit sehr unterschiedlichem Leistungsniveau. Ob und wann wir wieder am Ligabetrieb teilnehmen, kann ich gerade nicht sagen.

B.Net: Dein Teamkollege Hermann Petrick sagte im Rahmen des Hallenmasters in Hamburg 2012, dass er „total Lust auf Ligabetrieb“ hätte. Ebenfalls sprach er davon, dass Essen personell wieder etwas besser dastünde, auch habe er Kontakt zu Dennis Krallert, der ja bei Gelsenkirchen aufgehört hatte.
Hat euer Team nennenswerten Zuwachs bekommen oder von wie vielen Sportlerinnen und Sportlern spricht man überhaupt, wenn man über das Essener Team redet?

Sabrina: Wir haben Hermann und Stefan gesagt, dass sie ruhig gerne Liga spielen sollen. Von den Erfahrungen, die sie dabei sammeln, können wir ja nur profitieren. Jonas ist auf einem sehr guten Weg. Wo er mittlerweile steht wird sich bei unserm Turnier im März zeigen. Ich denke schon, dass er demnächst auch gerne Liga spielen möchte. Unser jüngster Spieler ist der zehnjährige Olcay. Der ist unheimlich flink und wuselig. Der kann sich aber gegen die Großen noch nicht behaupten. Insgesamt sind wir elf Spieler; wovon einige aber auch mehrfachbehindert sind und einfach Spaß am Blindenfußball haben.

B.Net: Am 16. März veranstaltet ihr auf dem Gelände des DJK Franz-Sales-Hauses ein Blindenfußballturnier. Mit eurem fest installierten Spielfeld und dem ebenfalls vorhandenen Mini-Bandenfeld seid ihr unglaublich gut ausgestattet. Das wusste in der Vergangenheit auch die Nationalmannschaft zu schätzen und hielt bei euch einige Leistungslehrgänge ab. Mit welchen Teilnehmern rechnet ihr für euer Turnier und inwieweit agiert ihr als Austragungsstäte für Saisonvorbereitungsspiele? Sind hier Testspiele geplant und gegen wen?

Sabrina: Bisher haben sich die Mannschaften aus ST. Pauli, Gelsenkirchen, Marburg, Köln, Braunschweig/Berlin und Bremen für das Turnier angemeldet.
Weitere Testspiele sind bisher nicht geplant. Aber dafür sind wir immer offen.

B.Net: Mit Stefan Peters habt ihr einen Spieler in euren Reihen, der in der vergangenen Spielzeit für den Rekordmeister aus Stuttgart sogar in der Liga antrat. Wäre dieses Ausleihmodell deiner Meinung nach noch für weitere Kicker aus eurem Verein geeignet und inwiefern konnte die gesamte Mannschaft von Stefans gewonnener Erfahrung profitieren?

Sabrina: Stefan hat es unheimlich gut getan und er hat sich in Stuttgart richtig gut weiter entwickelt. Daher freuen wir uns, dass er diese Saison nochmal bei Stuttgart aufläuft. Das gilt natürlich auch, wie schon oben gesagt, für Hermann und für Jonas wird das vielleicht auch mal interessant.

B.Net: Kommen wir einmal zu neuen und auch alten Spielern in Eurem Team. Im Oktober bei den Masters hattet ihr wohl den jüngsten Spieler aller Zeiten dabei. Sein Name ist jetzt schon einige Male gefallen. Der 13-jährige Jonas Fuhrmann hatte keine Scheu sogar gegen Nationalspieler zu spielen. Was kannst du uns speziell zu diesem neuen „Star“ am Blindenfußballhimmel sagen – schon damals waren seine Ballfertigkeiten und seine Mitsprache im Team beeindruckend.
Ebenso sind dem interessierten Fußballfan die Spieler aus Eurer Ligasaison präsent, begeistert hatte damals ein Torwart namens Jan Phillip Krych das Tor gehütet. Ist er euch immer noch treu und was ist aus den übrigen damaligen Spielern geworden?

Sabrina: Ja, Jonas ist wirklich sehr talentiert und wir sind froh ihn zu haben. Wir hoffen natürlich, dass er uns erhalten bleibt.
„J.P.“ hat uns und dem Blindenfußball den Rücken gekehrt. Das war für uns nicht nur Spielerisch ein großer Verlust.
Denis Mohr ist nur noch ab und zu beim Training und möchte auch nur noch trainieren.
Matthias Brell und Robin Verheyen sind beim Training auch noch dabei…
Dann haben wir mit Bernhard Lüffe und Janina Pauls auch noch zwei neue Leute dazu gewonnen. Unser Trainer ist immer noch Peter Allwardt.

B.Net: Versuchen wir uns auf einem anderen Parkett: Essen nimmt zwar nicht so intensiv am Blindenfußballgeschehen teil, dennoch kannst du als langjährige Aktive zu den folgenden Fragen sicher eine Einschätzung geben:
In den letzten Jahren ist der Blindenfußball immer schneller geworden. Neben Sprints führen einige Spieler im Höchsttempo den Ball über das Feld. Immer wieder kommt es vor, dass durch diese Geschwindigkeit Fouls durch zu spätes Voy von Verteidigern passieren. Einige Spieler hat dies schon abgeschreckt. Meinst Du, dass die Voy-Regel zu lasch gehandhabt wird, immerhin weist das Regelwerk einen Rufabstand von drei Metern aus. Stellenweise wird voy erst bei Kontakt mit dem Ballführenden oder gar nicht gerufen. Sollte hier mehr an die Schiedsrichter appelliert werden, um unnötigen Verletzungen auch vorzubeugen? Oder gehst du damit konform, dass dies normal ist und locker gehandhabt werden kann.

Sabrina: Das ist ein schwieriges Thema. Ich denke schon, dass die Schiedsrichter das Voy konsequent pfeifen müssen. Dass der Blindenfußball immer schneller wird, ist mir natürlich aufgefallen. Ich selbst stand schon oft in der Verteidigung und habe mich gefragt wie man denn so schnell reagieren soll… Mir selbst wird es irgendwie zu schnell. Da ich auch noch ein Ohrenproblem habe, kann ich oft gar nicht schneller reagieren. Mir kommt es oft so vor, dass ich „voy“ sage und dann schon umgerannt werde. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass der ballführende Spieler kein bisschen abbremst, wenn man sich mit Voy bemerkbar macht.

B.Net: Eine Frage zur Zukunft im Blindenfußball und der Entwicklung: Sabrina, wie siehst du die derzeitige Entwicklung im Blindenfußball mit Städtespieltagen, die Wirkung in der Öffentlichkeit, das Ziel der Neugewinnung von Spielern und wie siehst du die Zukunft im Hinblick darauf, dass eigentlich 2013 das Engagement der Sepp-Herberger-Stiftung ausläuft?

Sabrina: Ich weiß nicht, ob der Blindenfußball von den Städtespieltagen wirklich profitiert. Die Sehenden finden das Thema Blindenfußball immer sehr interessant. Aber zur Neugewinnung von Spielern helfen die Städtespieltage nicht weiter. Wir präsentieren den Blindenfußball schon seit einigen Jahren auf Hilfsmittelausstellungen. Einige Spieler haben wir dadurch auch gewonnen. Aber ich hätte mir die Nachwuchsförderung leichter vorgestellt als sie ist. Zu der Sepp-Herberger-Stiftung kann ich nicht so viel sagen. Dafür bin ich mittlerweile zu weit von der Liga weg…

B.Net: Im Liga-Ausschuss wurde vor Jahren schon einmal darüber gesprochen, dass der Meister des Jahres auf jeden Fall einen Spieltag in der Folgesaison erhalten sollte; vielleicht sogar den Eröffnungsspieltag. Was hältst Du von dieser Idee, sollte man diese weiter verfolgen?

Sabrina: Die Idee finde ich gut.

B.Net: Essen hat beim DJK Franz-Sales-Haus einen der schönsten und best ausgestatteten Blindenfußballplätze Deutschlands. Ist eurerseits angedacht, einmal einen Spieltag für die Liga auszurichten, egal ob ihr am Ende Ligateilnehmer seid oder nicht?

Sabrina: Ja, das FSH würde gerne einen Ligaspieltag ausrichten und hat sich auch jedes Mal dafür beworben.

B.Net: Kommen wir doch einmal zu den Frauen im Blindenfußball. In den zurückliegenden Jahren gab es unterschiedliche Projekte und Aktionen speziell für Frauen. Die von Tübingen initiierten Frauenworkshops oder der DBSV-Frauenweltpokal sind einige der zu nennenden Events. In den letzten zwei Jahren scheint dieses alles eingeschlafen zu sein. Gleichzeitig kehren immer mehr Frauen dem Blindenfußball den Rücken. Was ist da deiner Meinung nach los, besteht kein Interesse mehr an solchen Projekten, am gemeinsamen Spiel, Trainingswochenenden und einem insgesamt geregelterem Aufbau des Frauenblindenfußballs?

Sabrina: Ich fand die Frauenworkshops immer sehr gut und habe mich auf dem Platz unter Frauen viel wohler gefühlt. Ich bin sehr traurig, dass in dieser Richtung alles einzuschlafen scheint. Aber da waren innerhalb der Frauen die Meinungen unterschiedlich drüber. Es gab auch Frauen, die keinen Frauenfußball wollten, sondern mit den Mixed Teams zufrieden sind.
Es gab schon immer weniger Frauen, die Fußballbegeistert sind. Bei den Workshops kamen wir aus ganz Deutschland verteilt zusammen. Die Entfernung macht ein regelmäßiges Training sehr schwer. Und ich habe in letzter Zeit auch von vielen Frauen gehört, die ganz mit dem Fußball aufgehört haben. Manche aus gesundheitlichen Gründen und anderen wurde es auch zu hart. Mir wird es unter den Jungs oftmals auch zu hart und ich überlege auch oft, ob ich den Fußball an den Nagel hänge.
Wenn es eine Frauenliga gäbe, wäre ich auf jeden Fall dabei!

B.net: Eine Idee war einmal, dass sich die wenigen Frauen in der Liga vereinen und eine Damenmannschaft stellen, die im Ligabetrieb aktiv sein könnte. Was hältst du von dieser Idee, die ja auch bei einem Freundschaftsturnier einen Probedurchlauf genießen könnte?

Sabrina: Wir hatten die Idee auch schon mal versucht, beim LichtKick in Neumünster umzusetzen. Das hat aus mangelnder Teilnehmerzahl nicht geklappt. Ich habe aber auch oft das Gefühl, dass ich als Frau gegen die Jungen Bengels, die doppelt so schwer sind wie ich, körperlich nicht gegen halten kann. Im sehenden Fußball sind Jungs und Mädels auch getrennt. Das hat ja schon seinen Sinn.

B.Net: Sabrina, abschließend auch an dich die Frage, was du dir für den Blindenfußball allgemein und deinem Team im Speziellen für die Zukunft wünschst.

Sabrina: Ich wünsche dem Blindenfußball, dass es auch ohne die Sepp-Herberger-Stiftung mit der Liga weiter geht. Und das der Sport in den Blindenschulen mehr gefördert wird.
Meinem Team wünsche ich, dass wir wieder so weit spielfähig werden, dass wir uns wieder gegen andere Mannschaften behaupten können.
Und ich persönlich wünsche mir für den Blindenfußball eine Frauenliga…:-)

B.Net: Herzlichen Dank an dich, Sabrina, für diese aufschlussreichen Erläuterungen zum Blindenfußball in Essen und deinen Denkanstößen zum Thema Frauen im Blindenfußball. Vielleicht wird die Zukunft ja gerade in diesem Bereich eine positive Entwicklung nehmen, sofern die weibliche Spielerschaft dies möchte und mit Eigeninitiative unterstützt.

Blindenfussball.net wünscht dir und deinem Team auf jeden Fall alles Gute und viel Erfolg bei der weiteren Entwicklung des Blindenfußballs in Essen.