Wir setzen unsere Interviewreihe mit der einzigen Torhüterin der Blindenfussball-Bundesliga fort. Charlotte Liedke spielt für den LFC Berlin und steht uns diese Woche Rede und Antwort.
B.net: Charlotte, die ersten drei Liga-Spieltage in Braunschweig, Regensburg und Hamburg sind vorbei, und insbesondere in Braunschweig gab es doch die ein oder andere Überraschung bei den Resultaten mit dem nur knappen Sieg von Stuttgart gegen St. Pauli und dem Unentschieden von Würzburg gegen Marburg. Beim Ligaauftakt warst du ja als Torfrau dabei, wie hast du den Spieltag erlebt?
Charlotte: Ich fand den Spieltag in Braunschweig sehr schön, abgesehen von unseren Ergebnissen natürlich.
Besonders schön zu sehen ist doch, wenn Mannschaften wie Stuttgart und Marburg, die ja wirklich auch gut sind, nicht immer nur gewinnen bzw. mal auch nicht einen so ganz guten Tag haben.
Und nebenbei auch nochmal ein großes Lob an Otfried für den wirklich gelungenen Spieltag. Vor allem der Samstagabend war toll. Ich denke für viele ist es auch immer wieder schön, dieses gemütliche Beisammensitzen und unterhalten. Ich hoffe, dass besonders an Spieltagen die das ganze Wochenende dauern, immer wieder solche Abende stattfinden. Zu den Städtespieltagen kommen ja einige Mannschaften immer kurz vorm Spiel an und müssen danach gleich wieder los. Da fehlt oft die Zeit zum Plauschen.
B.net: Im nationalen Blindenfussball gibt es bekanntlich gemischte Mannschaften mit männlichen und weiblichen Spielern, als einzige Mannschaft gilt dies beim LFC Berlin auch für die Position des Torwarts. Was macht für dich den Reiz aus als Torhüterin zu spielen und wie siehst du grundsätzlich die Rolle des Torwarts in einem Blindenfussball-Match?
Charlotte: Als der Blindenfussball nach Deutschland kam, haben meine Eltern bei dem Workshop in Berlin mitgemacht. So habe ich davon auch immer ein bisschen mitbekommen und war das ein oder andere Mal mit dabei. 2009 war in Marburg ein Worldcup nur für Frauen. Damals wurde ich gefragt, ob ich vielleicht da mitmachen würde. Das hatte mir so viel Spaß gemacht, dass ich jetzt immer noch dabei bin. Ich finde es einfach immer wieder toll zu sehen, wie blinde und sehbehinderte Menschen so gut mit dem Ball umgehen können. Ich habe echt großen Respekt vor ihnen. Und es macht einfach wirklich viel Spaß. Als Torhüterin habe ich ja zusätzlich auch noch eine wichtige Rolle. Ich muss besonders meine Abwehr dirigieren und muss mich nicht nur darauf konzentrieren, dass ich keinen Ball rein lasse, sondern muss auch noch den Überblick behalten. Das ist manchmal gar nicht so einfach.
B.net: Der Blindenfussball ist bekanntlich eine sehr körperbetonte Sportart, einige Aktive spielen deshalb nicht bei der Liga mit oder haben ganz mit dem Blindenfussball aufgehört, wie schätzt du das Risiko von Verletzungen ein, insbesondere im Vergleich zu anderen Blindensportarten?
Charlotte: Ich muss sagen, die Spieler die aufgehört haben, kann ich wirklich sehr gut verstehen. Glücklicherweise ist ja noch nicht so oft was wirklich Schlimmes passiert, aber ich denke schon, dass es eine sehr körperbetonte Sportart ist. Gerade die Zusammenstöße passieren ja auch, wenn „Voy“ gesagt wurde.
Wenn ich beim Training bin, muss ich ehrlich sein, gebe ich nicht so viel, wie beim Spiel. Im Spiel lege ich irgendeinen Schalter um, und habe keine Angst mehr vor den Spielern die auf mich zugerannt kommen, bzw. vor den teilweise wirklich harten Schüssen.
B.net: Im Sehenden-Fussball gibt es nicht ohne Grund eine eigene Frauen-Bundesliga. Was hälst du von der Idee, für Mädchen und Frauen ein eigenes Blindenfussball-Training anzubieten, evtl. mit dem Ziel, eine oder mehrere reine Frauen-Mannschaften zu gründen?
Charlotte: Zu erst muss ich mal sagen, dass ich wirklich großen Respekt vor den Frauen habe, die sich das wirklich noch zutrauen, in der Bundesliga mitzuspielen. Ich bin der Meinung, dass wirklich alle Mannschaften gucken sollten, besonders auch Frauen und Mädchen mit ins Boot zu ziehen und ihnen vor allem auch in der Bundesliga dann die Chance zugeben, Spielerfahrungen zu sammeln. Denn wie soll man sonst besser werden?!? Klar geht es auch darum zu gewinnen, doch die wenigen Frauen und Mädchen, die sich das noch trauen, sollten doch unbedingt die Möglichkeit bekommen mitzuspielen. Und außerdem heißt das ja auch nicht, dass Frauen nichts bzw. wenig drauf haben!!! Das sieht man doch zurzeit wieder, wie auch die Frauen kämpfen und tapfer gegenhalten.
Die Idee, für Mädchen und Frauen ein eigenes Training anzubieten, finde ich wirklich sehr gut. Ich denke an dieser Idee sollte wirklich festgehalten werden, denn es gibt einige Frauen, die gerne diese Sportart weiter ausüben wollen. Und in einem reinen Frauentraining oder Turnier kriegt vielleicht die eine oder andere auch wieder Lust auf mehr. Vor ein paar Jahren gab es ja schon einige Angebote nur für Frauen. Ich war mal bei einem Turnier in Marburg dabei und bei einem Trainingswochenende in Stuttgart. Das hat wirklich vielen sehr großen Spaß gemacht. Schade, dass jetzt lange nichts mehr war!!!
B.net: Die Berliner bilden zusammen mit den Braunschweigern eine mittlerweile etablierte Spielgemeinschaft. Worin siehst du die größten Unterschiede gegenüber einem eigenständigen Team?
Charlotte: Ja das fängt schon ganz einfach damit an, dass kein gemeinsames Training stattfinden kann. Das ist denke ich das größte Problem. Die Berliner bzw. die Braunschweiger Spieler kennen sich untereinander sehr gut, kennen die Spielzüge des anderen, etc. Doch wenn wir uns dann zum Spieltag treffen, merkt man schon, dass sich die Spieler immer wieder aneinander gewöhnen müssen, und das geht natürlich auch nicht sofort.
B.net: In den letzten Jahren ist der Blindenfußball immer schneller geworden. Neben Sprints führen einige Spieler im Höchsttempo den Ball über das Feld. Immer wieder kommt es vor, dass durch diese Geschwindigkeit Fouls durch zu spätes „Voy“ von Verteidigern passieren. Einige Spieler hat dies schon abgeschreckt. Meinst Du, dass die Voy-Regel zu lasch gehandhabt wird, immerhin weist das Regelwerk einen Rufabstand von drei Metern aus. Stellenweise wird voy erst bei Kontakt mit dem Ballführenden oder gar nicht gerufen. Sollte hier mehr an die Schiedsrichter appelliert werden, um unnötigen Verletzungen vorzubeugen? Oder gehst du damit konform, dass dies normal ist und locker gehandhabt werden kann?
Charlotte: Ich würde sagen, es wird schon relativ ordentlich darauf geachtet. Klar gibt es immer wieder Situationen, in den sich die einen oder anderen darüber aufregen. Schiedsrichter haben es denke ich auch nicht immer leicht. Doch besonders diese Regel sollte wirklich gründlich beachtet werden, da sollte sich denke ich auch jeder selber bewusst sein, dass er gesund und munter den Platz wieder verlassen will.
B.net: Auch an dich die Frage, im Liga-Ausschuss wurde vor Jahren schon einmal darüber gesprochen, dass der Meister des Jahres auf jeden Fall einen Spieltag in der Folgesaison erhalten sollte; vielleicht sogar den Eröffnungsspieltag. Was hältst Du von dieser Idee, sollte man diese weiter verfolgen?
Charlotte: Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, aber ich denke es gibt noch viele andere Orte, an denen Spieltage ausgeführt werden können. Besonders doch dort, wo es schon Mannschaften gibt. Meine Meinung ist, dass die Sportart vor allem in diesen Städten stattfinden sollte, damit gerade dort, die Mannschaften vorrangig weiter ausgebaut werden können.
B.net: Mit dem Weggang von Cengiz Dinc und „Sami” Setoodeh hat die Spielgemeinschaft zwei Spieler verloren, zudem waren in Braunschweig die Berliner Kofi Osei und Reiner Delgado nicht dabei. Wie schätzt du die weitere Entwicklung des LFC bzw. der Spielgemeinschaft sowie deine eigene Zukunft als Ersatztorfrau neben Moritz Klotz ein?
Charlotte: Ich denke, in dieser Saison wird das nicht ganz so einfach werden. Wir können nur hoffen, dass immer alle da sind und sich keiner verletzt. Bei mir wird es dieses Jahr auch anders werden. Ich ziehe im Sommer nach Leipzig und werde dann mal schauen müssen, wie es bei mir weitergeht. Aber Lust habe ich auf jeden Fall weiter dabei zu bleiben. Es macht ja auch immer wieder Spaß, die Leute alle wiederzusehen.
B.net: Vielen Dank für das nette Interview, Charlotte.