Frankreich gegen Brasilien im Finale, Spanien und Argentinien spielen um Bronze

Im ersten Spiel des vierten Blindenfußballtages der Paralympics 2012 in London traf der Dritte der Gruppe A, Iran, auf den Vierten der Gruppe B, Türkei. Gespielt wurde um den Einzug ins Spiel um Platz fünf. Die Türkei, die bis dato noch kein Tor erzielen konnte, testete gleich in den ersten Minuten der Partie mehrfach den iranischen Schlussmann. Doch nach einigen Minuten übernahm die iranische Auswahl das Spielgeschehen. In der 19. Spielminute war es dann der iranische Kapitän Hossein Rajab Pour, der sein Team nach einem Alleingang durch die türkische Defensive mit 1:0 in Front schoss. Die beste Torchance für die Türkei hatte Kahraman Kurbetoglu nach einem Freistoß. Sein Schuss wurde jedoch von Meysam Shojaeiyan glänzend gehalten.

Nach der Pause kamen die Türken kaum noch zu gefährlichen Szenen vor des Gegners Tor. Iran hatte vielmehr weitere Möglichkeiten auf 2:0 zu erhöhen. Das spiegelten auch das Torschussverhältnis von 10 zu 4 und 58 Prozent Ballbesitz für den Iran wider. Nach 50 Minuten pfiff der deutsche Schiedsrichter Niels Haupt die Partie ab, der Iran qualifizierte sich für das Spiel um Platz fünf und die Türkei wird, erwartungsgemäß, am Samstag um den siebten Rang spielen.

Das vierte Auftreten der Gastgebernation Großbritannien sahen in der Riverbank Arena 1.893 Zuschauer. In den ersten drei Spielen wurden die Briten immer von mehr als 2.000 Fans unterstützt. Das Verpassen des Halbfinales schien also auch beim Publikum Spuren hinterlassen zu haben. Nach der Niederlage im letzten Vorrundenspiel gegen den Iran versuchten die Spieler mit getwitterten Durchhalte- und Motivationsparolen sich und die britische Öffentlichkeit für das Match gegen China zu pushen. Das gelang mit mäßigem Erfolg. Vom Anstoß weg zog China sein bekanntes Spiel, geprägt durch hohen Ballbesitz (59 Prozent) und kompakter Defensivarbeit, auf und schnürte Großbritannien in die eigene Hälfte ein. Trotz eines dominanten Torschussverhältnisses von 12 zu 4, gelang es den Asiaten nicht aus dem Spiel heraus in Führung zu gehen. So blieb es bis zur Pause bei einem torlosen Unentschieden.

Die zweite Spielhälfte gestaltete sich ähnlich. In der 40. Minute drang China erneut gefährlich in den Strafraum ein und konnte nur durch ein Foul gestoppt werden, was einen Sechsmeterstrafstoß nach sich zog. Chinas ältester Spieler Xiaoqiang Li (30), der bereits gegen die Türkei vom Punkt traf, versenkte diesen Sechser zum 1:0-Führungstreffer. In der Folge schien es nicht so als könne Großbritannien hierauf antworten; hatte man doch bisher nur ein Tor im Auftaktspiel gegen Spanien erzielen können. Dann setzte sich aber Dan English in der 47. Spielminute gleich gegen die gesamte chinesische Mannschaft durch und besorgte den viel umjubelten Ausgleich für Großbritannien. Vierzig Sekunden vor Schluss hatte China dann sogar noch die Chance zur Entscheidung, vergab diese und sah sich mit Großbritannien im ersten Sechsmeterschießen des Turniers wieder. Zuerst trat Kapitän David Clarke an den Punkt. Der 41-Jährige, für den die Paralympics in London der Höhepunkt und Abschluss seiner Karriere mit dem anvisierten Gold sein sollten, schoss über die Querlatte. Für China schritt Li, der schon im Spiel vom Punkt getroffen hatte, an, überwand Torwart Lewis Skyers und brachte sein Team in Führung. Auch für Team GB kam nun der schon im Spiel erfolgreiche Dan English zum Zuge und verwandelte ebenso wie sein chinesischer Vorgänger. Zhioubin Wang schoss China wieder in Front. Nun musste Keryn Seal, der als dritter und letzter britischer Schütze zur Tat schritt, treffen. Chinas Torwart Huachu Xu hielt jedoch Seals Sechser. China stand damit im Spiel um Platz fünf gegen den Iran. Großbritanniens Blindenfußballer verloren genau wie ihre sehenden Kollegen Anfang August im olympischen Turnier im Roulette vom Punkt. Bitter für die britischen Fans: auch damals war es mit Südkorea eine asiatische Mannschaft, die die Träume vom Weiterkommen beendete. Das Team von Tony Larkin muss nun die letzten Motivationsreserven mobilisieren, um wenigstens gegen die bislang torlosen Türken am Samstag im Spiel um Platz sieben den ersten Sieg einzufahren. Der erste Finalist wurde im europäischen Halbfinale zwischen Frankreich und Spanien gesucht. Für den europäischen Blindenfußball stellte diese Halbfinalbegegnung bereits den größten Erfolg bei den paralympischen Spielen dar. Konnten doch 2004 Brasilien und Argentinien die Goldmedaille unter sich ausmachen und 2008 China gegen Brasilien im Finale von Peking stehen. Vor knapp einem Jahr standen sich Frankreich und Spanien im Europameisterschaftsfinale 2011 im türkischen Aksaray gegenüber. In einer umkämpften und hitzigen Partie setzte sich Frankreich am Ende durch einen Treffer ihres Kapitäns Villeroux mit 1:0 durch und wiederholte den EM-Erfolg von 2009. Die Begegnung versprach demzufolge ein ähnlich nervenaufreibendes Duell zu werden. Der spanische Coach Pablo Zalazar und sein französisches Gegenüber Toussaint Akpweh sahen wie die 1.796 Zuschauer ein intensiv geführtes Match mit dennoch relativ wenigen Torchancen. Für Spanien versuchten Antonio Martin (3 Tore im laufenden Turnier) und Marcelo Rosado offensive Akzente zu setzen, wurden jedoch von der sicheren französischen Abwehr vom Tor von Jonathan Grangier fern gehalten. Bei Frankreich waren es wie üblich Martin Baron und Frederic Villeroux, die Alvaro Gonzalez im spanischen Kasten testeten. In einer ausgeglichenen ersten Hälfte war es dann Frankreichs Kapitän Villeroux, der in der 23. Minute zum 1:0 für sein Team einnetzte.

Spanien kam nach der Pause mit Wut im Bauch aus der Kabine und erhöhte deutlich den Druck. Antonio Martin zwang Grangier zu einer guten Parade, konnte ihn allerdings nicht überwinden. Frankreich behauptete immer wieder den Ball, gewann die Zweikämpfe und versuchte seinerseits das vorentscheidende 2:0 zu erzielen. Spanienschreck Frederic Villeroux war es in der 49. Minute vorbehalten seine Equipe mit seinem zweiten Tor des Tages ins paralympische Blindenfußballfinale zu schießen. Wie schon im EM-Finale 2011 entschied Villeroux die Partie quasi im Alleingang. Sein 54 Länderspiel dürfte trotz zweier EM-Titel das bis dato denkwürdigste in der Karriere des 29-jährigen Franzosen sein. Jetzt kann er am Samstag durch einen Sieg im Finale noch eine Kirsche auf die Sahnehaube dieses Turniers setzen.

Für die Spanier, die sich zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten den Franzosen geschlagen geben mussten, bleibt wie vor vier Jahren in Peking nur das Spiel um Bronze. In London wollen sie dieses jedoch gewinnen und mit einer Medaille nach Hause fahren. Nach dem Halbfinale zweier Europäer folgte das Halbfinale zwischen den zwei am Turnier teilnehmenden südamerikanischen Mannschaften aus Argentinien und Brasilien. Bei der Erstauflage des paralympischen Blindenfußballturniers 2004 in Athen bestritten diese Teams noch das Finale. Zuletzt standen sie sich im Endspiel der Parapan Games 2011 in Mexiko gegenüber, welches Brasilien gewann. Es entwickelte sich ein Spiel auf Augenhöhe. Brasilien hatte zwar deutlich mehr Ballbesitz, konnte aber nur selten gefährliche Torschüsse aufs Gehäuse von Dario Lencina abgeben. Die im bisherigen Turnier so herausragenden Ricardinho und Jefinho wurden von der argentinischen Defensive nahezu ausgeschaltet. In der ersten Hälfte schien Argentinien einem Führungstreffer sogar näher zu sein.

Auch in den zweiten 25 Minuten kam Brasilien nur vereinzelt gut vors argentinische Tor. Beim Abpfiff hatten die Statistiker im Stadion jeweils fünf Torschüsse pro Team notiert. Es kam zum zweiten Sechsmeterschießen der Qualifikationsspiele. Argentinien begann mit Luis Sacayan, dessen Schuss Fabio Ribeiro hielt. Brasiliens erster Schütze war Severino da Silva. Der Kapitän hatte schon im Spiel gegen die Türkei gezeigt, dass er vom Punkt ein sicherer schütze ist. So ließ er Dario Lencina im argentinischen Tor auch vom Sechsmeterpunkt keine Chance und verwandelte unhaltbar zum 1:0 für Brasilien. Im direkten Gegenzug hatte Argentiniens Kapitän Silvio Velo die Ausgleichsmöglichkeit, schoss jedoch vorbei. Den Schuss von Brasiliens Cassio Reis hielt Dario Lencina und somit sein Team im Spiel. Jetzt musste Froilan Padilla für Argentinien treffen. Doch Fabio parierte den Schuss, behielt eine weiße Weste und sorgte dafür, dass Brasilien zum dritten Mal infolge im paralympischen Finale steht.

So wird es am Samstag im Finale zur Neuauflage des Vorrundenspiels zwischen Frankreich und Brasilien kommen. Letzten Freitag trennten sich die Teams noch mit einem torlosen Unentschieden. Sollte es morgen wieder so kommen, wird eine Verlängerung von zwei mal fünf Minuten folgen, bevor es zu einem Sechsmeterschießen kommen könnte. Prognosen für dieses Finale dürften schwierig sein. Zwar gilt Brasilien weiterhin als der Favorit schlecht hin, aber wenn Frederic Villeroux und seine Mannen wieder so einen Sahnetag erwischen sollten, könnte der Blindenfußballriese wanken und in Schönheit verlieren. Die übrigen Spiele versprechen ebenfalls spannend zu werden. Großbritannien muss unbedingt den ersten Sieg des Turniers einfahren, um es, wenn auch schwer angeschlagen, einigermaßen versöhnlich zu beenden. Iran wird gegen China versuchen den Erfolg, den sie über den Rivalen bei den IBSA World Games 2011 feiern konnten, zu wiederholen und so auf Platz fünf zu landen. Spanien trifft wie 2008 auf Argentinien. Damals verlor man im Sechsmeterschießen, was im Spiel um Bronze am Samstag unbedingt vermieden werden soll. Es warten also noch einmal vier spannende Blindenfußballspiele auf uns, auf die wir von Blindenfussball.net uns genauso freuen wie ihr, die ihr uns in der letzten Woche so zahlreich begleitet habt.