„Jugendarbeit ist der wichtigste Baustein für die Zukunft des Blindenfußballs“

Der Name Alican Pektas bedeutet Gefahr im Strafraum des Gegners. Seit 2007 kickt der Angreifer für die Marburger Blindenfußballmannschaft und konnte 2008 den historisch wichtigen ersten Meistertitel mit Marburg gewinnen. Jetzt steht er vorm Gewinn der zweiten Deutschen Meisterschaft. Kurz vor dem möglichen Titelgewinn beantwortet er einige Fragen für Blindenfussball.net.

B.net: Wie habt ihr euch auf das für euch so wichtige Spiel gegen die SG Berlin/Braunschweig vorbereitet?

Alican: Da momentan bei uns in Hessen Sommerferien sind, ist es in dieser Zeit für uns enorm wichtig, sich individuell konditionell fit zu halten. Weiterhin werden wir uns mit Trainingslagern über mehrere Tage hinweg auf dieses so wichtige Spiel vorbereiten, um auch das Taktische und Technische nicht zu kurz kommen zu lassen.

B.net: Bei einem Unentschieden seid ihr zum zweiten Mal Deutscher Meister. Spukt nach fünf Siegen in Folge noch ein Fünkchen Angst im Hinterkopf herum, sich möglicherweise durch eine Niederlage nicht für die gute Saisonleistung zu belohnen?

Alican: Ehrlich gesagt versuche ich mir diesen Gedanken aus dem Kopf zu verdrängen, denn ich glaube dieser Gedanke würde mich und das Team nicht allzu weit bringen. Das einzige Ziel ist es, an die Form anknüpfen zu können, die wir in dieser Saison erlangt haben, aber klar wäre es bitter, wenn wir mit einer Niederlage gegen Braunschweig/Berlin es noch einmal spannend machen würden. Das wäre einfach unnötig und würde uns nur in Schwierigkeiten bringen.

B.net: Was spricht bei diesem meisterschaftsentscheidenden Spiel für Marburg und gegen die SG Berlin/Braunschweig?

Alican: Diese Frage zu beantworten finde ich ziemlich schwierig. Wie immer in solch wichtigen Spielen treffen zwei Teams aufeinander, die Stärken und Schwächen aufweisen. Das Team, was an dem Tag die Schwächen des anderen besser nutzen kann, wird dieses Spiel für sich entscheiden können. Das wird uns hoffentlich auch mit dem Siegeswillen, unserer kämpferischen Stärke und dem nötigen Ehrgeiz gelingen.

B.net: Woran liegt es deiner Meinung nach, dass Marburg in dieser Spielzeit auch enge Partien für sich entscheiden kann. In den Vorjahren war immer der ein oder andere Ausrutscher im Verlauf einer Saison dabei.

Alican: Das liegt daran, dass wir vor dieser Saison es geschafft haben, unsere Schwächen gründlich zu analysieren und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Insbesondere das taktische Verhalten im Allgemeinen, sowie an unserer Defensivarbeit haben wir durch gezielte Trainingseinheiten schrauben können. So haben wir es auch geschafft in dieser Saison enge Partieen zugunsten von uns zu entscheiden.

B.net: Kann es im Hinblick auf die Torjägerkanone sein, dass Thomas Horn dir den Vortritt bei Achtmeterstrafstößen lassen wird?

Alican: Die Torjägerkrone ist für mich zweitrangig. Das wichtigste Ziel ist es, die Meisterschaft an die Lahn zu holen. Da Thomas Horn die 8-Meter Strafstöße schlicht besser treten kann als ich, wird er das auch weiterhin tun. Aber klar werde ich aus dem Spiel heraus alles daran setzen, dass wir Meister werden. Wenn dann auch noch der Torschützenkönig herausspringt, werde ich diesen Titel natürlich dankend annehmen und somit meinen Beitrag zum Titelgewinn leisten.

B.net: Mit Marburg kannst du den zweiten Meistertitel einfahren und die Torjägerkrone kannst du dir auch schnappen. Wie wichtig ist da für dich, dass du im Juni dein erstes Länderspiel für die deutsche Blindenfußball-Nationalmannschaft gegen die Türkei absolviert hast?

Alican: Ich persönlich trenne diese beiden Wettbewerbe, also das Nationalteam, so wie meinen Verein, voneinander. Das Länderspiel war eine interessante Erfahrung. Aus diesem Spiel habe ich auch eine Menge gelernt und dieses Gelernte werde ich in Zukunft versuchen umzusetzen, um mich weiter entwickeln zu können. Denn dabei spielt die internationale Erfahrung eine große Rolle. Die Meisterschaft hingegen ist momentan das einzige Ziel, was ich vor Augen habe. Was daraus für Möglichkeiten für mich sowie für andere Spieler aus Marburg bezüglich des Nationalteams entstehen, werden wir dann sehen.

B.net: Im nächsten Jahr steht wieder eine Europameisterschaft an. Wie sehr reizt es dich, dann gegen die diesjährigen Paralympics-Teilnehmer aus England, Frankreich, Spanien und der Türkei zu spielen und womöglich Tore zu schießen?

Alican: Für diese Frage ist es etwas früh, schließlich ist bis zur Nominierung der Europameisterschaft noch etwas Zeit. Die Nationalmannschaft ist sicher der größte Sprung meiner Karriere, aber dieser anspruchsvollen Aufgabe möchte ich mich aber erst dann zu 100% stellen, wenn ich die Rahmenbedingungen dafür geschaffen habe. Wenn das alles soweit erledigt ist, werde ich sicher auch alles dafür tun, damit Deutschland im europäischen Blindenfußball ganz oben mitspielen kann.

B.net: Zurück zur Bundesliga: Welche positiven und negativen Entwicklungen konntest du an den ersten vier Ligaspieltagen feststellen?

Alican: Positiv möchte ich den spannenden Kampf um die Meisterschaft mit mehreren Teams hervorheben. Das zeigt eindeutig, dass das Niveau in der deutschen Blindenfußballbundesliga in dieser Saison deutlich gestiegen ist und das Leistungsgefälle in und zwischen den Teams kleiner zu werden scheint.
Aber am wichtigsten ist es natürlich, gemeinsam mit allen aktiven Beteiligten die gesamte Entwicklung des Blindenfußballs voranzutreiben. Ich denke bezüglich dieses formulierten Ziels sind wir momentan auf einem guten Weg. Das ist das, was ich aus dieser Saison bisher herausfiltern konnte als Fazit für mich.

B.net: Was wünscht du dir ganz allgemein für den Blindenfußball in Deutschland und wo siehst du noch den größten Handlungsbedarf?

Alican: Wie ich eben schon erwähnt habe, muss man an der gesamten Entwicklung des Blindenfußballs, unterstützt von allen Aktiven, ansetzen.
Insbesondere die Jugendarbeit, sowie die Förderung des Blindenfußballs für Frauen ist das Erste, was mir spontan so einfällt. Vor allem die Jugendarbeit ist der wichtigste Baustein, um die Zukunft des Blindenfußballs in Deutschland zu garantieren. Dass die Aktiven im Blindenfußball immer weniger werden, kann man bereits an den zahlreichen Spielgemeinschaften dieser Saison erkennen (fast die Hälfte der Teams, die an der DBFL teilnehmen).
Wenn nicht nur die Zukunft des Blindenfußballs, sondern auch der Tag gerettet werden soll, müssen sich alle Teams darum kümmern, um für Spielerzuwachs in ihren Kadern zu sorgen, um den Ligabetrieb als solchen aufrecht erhalten zu können. Weiterhin muss sich die Blindenfußballgemeinde auch entscheiden, ob der Blindenfußball eine Amateursportart bleiben will, oder ob man sich der Professionalisierung anschließen möchte. Denn dementsprechend muss sich auch die Struktur in Deutschland anpassen.

B.net: Als gefürchteter Stürmer kennst du die Abwehrreihen der DBFL-Teams sehr gut. Gegen welche Abwehr musst du am meisten kämpfen?

Alican: Das bleibt lieber mein Geheimnis :-). Aber im Allgemeinen kann ich anmerken, dass aufgrund des gestiegenen Niveaus es zunehmend schwieriger wird, Tore zu erzielen. Das ist allein schon daran erkennbar, dass diejenigen, die momentan ganz oben in der Torschützenliste stehen, lediglich 9 Treffer haben. Vergleicht man diese Zahl mit der des letzten Jahres und des Jahres zuvor, so kann man feststellen, dass sich im deutschen Blindenfußball einiges getan hat und wir uns auf einem sehr guten Weg befinden.

B.net: Hat dich ein Torwart aufgrund seiner guten Paraden schon einmal zur Verzweiflung gebracht?

 Alican: Ja da gab es schon einige, aber ich weiß allerdings nicht, ob es immer an den Keepern lag 🙂

B.net: Vielen Dank für deine ausführlichen Antworten. Blindenfussball.net wünscht dir weiterhin viel Spaß beim Kicken und alles Gute für deine privaten Ziele.