Am Wochenende vom 30. März bis zum 1. April 2012 machte sich die neu formierte Spielgemeinschaft des LFC Berlin und der Eintracht aus Braunschweig gemeinsam auf den Weg ins westpolnische Wroclaw (Breslau). Nachdem die polnischen Blindenfußballer im Juni 2011 und Oktober 2011 bereits für ihre ersten Testspiele in der Bundeshauptstadt gastierten, wurden die Berliner samt ihres SG-Partners Braunschweig zum Gegenbesuch eingeladen, um in mehreren Trainingsspielen Praxiserfahrung zu sammeln. Nach den zwei Testspielen, die 2:1 für die deutsche SG und 4:1 für die Polen endeten, war klar erkennbar, dass die Polen enorme Fortschritte gemacht hatten. und auf einem sehr guten Weg sind, an den nächsten Europameisterschaften 2013 teilzunehmen.
Die Braunschweiger trafen sich bereits am Freitagabend, um aus der Löwenstadt am frühen Samstagmorgen mit dem Auto gen Osten aufzubrechen. Erneut dabei waren die Neulinge David Kallweit und Bajram Hoxha, die bereits beim Turnier in Chemnitz erste Wettkampfluft schnuppern konnten. Die Berliner Kicker rund um Trainer Moritz Klotz starteten am frühen Samstagmorgen mit dem EuroCity in Richtung Breslau. Neben etablierten Kräften wie Lars Stetten oder Reiner Delgado waren auch die jungen Beyhan Yildirim und Mohammed Sleiman dabei. Nach ca. sechsstündiger Fahrt trafen beide Gruppen im Laufe des Samstagnachmittags in dem Fußball-EM-Austragungsort ein. Untergebracht waren die Deutschen ebenso wie die Polen in einem Sport-Leistungszentrum, das Wettkampfstätten für sehr viele Sportarten bietet. Eine Dolmetscherin erleichterte die Verständigung.
In Polen gibt es seit ca. einem Jahr zwei Trainingsgruppen in Breslau und Kattowitz. Diese treffen sich regelmäßig zu Trainingswochenenden und Testspielen. Die Mehrheit der polnischen Kicker hat dabei B2- und B3-Status, d.h. sie haben noch einen geringen Sehrest. Der polnische Trainer berichtete, dass es in deren Reihen nur 2 Spieler mit B1-Status gebe. Die Polen bereiten sich gerade intensiv auf ein Demonstrationsspiel am Rande des EM-Viertelfinal-Spiels am 22.06.2012 in Danzig vor, von dem sie sich viel Öffentlichkeitswirksamkeit erhoffen. Hier kann eine Parallele zur Entwicklung des Blindenfußballs in Deutschland gesehen werden, der seine Geburtsstunde beim Premieren-Workshop IBCC am Rande der Fußball-WM 2006 in Berlin unter Anleitung des englischen Nationalteams hatte.
Am Samstagabend fand das erste von zwei Testspielen in der Halle statt. Diese stellte sich leider von den akustischen Bedingungen als absolut ungeeignet dar, da sie an den Wänden gar nicht durch Matten oder Polsterungen schalldämpfend war. So herrschte eine enorme Lautstärke, wodurch die Kommunikation der Spieler untereinander sowie mit den Guides kaum möglich war.
Es wurde eine Spielzeit von 4 x 15 Minuten vereinbart, um auf beiden Seiten viele Dinge auszuprobieren. Diese Möglichkeit wurde von beiden Teams auch ausgiebig genutzt. Die deutsche SG begann mit ihrer Braunschweiger Formation das erste Viertel: vor Torhüter Werner Nordlohne bildeten Toni Hoxha und David Kallweit die Defensive, während die Offensive aus Cengiz Dinc und Heinrich Niehaus bestand. Nach sehr nervösem Beginn auf beiden Seiten erzielte Niehaus auf Vorlage von Dinc den ersten Treffer des Tages. Das zweite Viertel wurde von den Berlinern Reiner Delgado, Lars Stetten sowie Edis Veljkovic und Fathi Talay begonnen. Die Polen wechselten ebenfalls einmal komplett durch. Erwähnenswert ist hierbei, dass bei den Polen drei Frauen mitspielten.
Ab dem dritten Viertel wurde bei der deutschen SG sowohl personell als auch taktisch munter durchprobiert, um sich gegenseitig an das Zusammenspiel in der bevorstehenden Ligasaison zu gewöhnen. Das vierte Viertel stellte letztlich den Höhepunkt dar, da sich beide Teams mittlerweile an die äußeren Rahmenbedingungen gewöhnt hatten und eingespielt waren. Es gelang den Polen mit zunehmender Spieldauer immer mehr, sich sehr gute Chancen zu erspielen. Insbesondere zwei flinke und ballsichere Angreifer brachten die deutsche Defensive ein ums andere Mal in Verlegenheit. Selbst hatten die deutschen mehrfach Pech beim Abschluss (u.a. Pfostentreffer). Schließlich gelang den Gastgebern im Anschluss an eine Ecke der viel umjubelte und mittlerweile auch verdiente Ausgleichstreffer. Fathi Talay erzielte mit einer der letzten Aktionen des Spiels mit einem Fernschuss letztlich den Siegtreffer für die Braunschweiger und Berliner Spielgemeinschaft Während und nach dem gemeinsamen Abendessen gab es genügend Möglichkeiten, sich gegenseitig auszutauschen.
Den Beginn des zweiten Testspiels am frühen Sonntagmorgen verschliefen die Deutschen scheinbar. Die Polen machten dort weiter, wo sie am Vorabend aufgehört hatten und setzten das deutsche Gehäuse, das nun vom Berliner Keeper und Trainer Moritz Klotz gehütet wurde, gehörig unter Druck. So stand es nach dem ersten von drei Dritteln schon 3:0 für die Kicker aus dem EM-Gastgeberland. Nach einigen personellen und taktischen Umstellungen fing sich die Berliner/Braunschweiger Mannschaft wieder, so dass die zweite Begegnung nach einem weiteren Tor durch Niehaus zum zwischenzeitlichen 3:1 und einem weiteren Gegentreffer 4:1 für Polen endete.
Für beide Teams war dieses Wochenende sehr erfolgreich. Die Polen konnten sehen, dass sie auf dem richtigen Weg und bereits in der kurzen Zeit ihres Bestehens große Fortschritte gemacht hatten. Für die deutsche SG war dieses Wochenende sehr gut, um sich weiter aneinander zu gewöhnen und verschiedenste taktische und personelle Konstellationen zu testen. Auch wurden die Bereiche sichtbar, an denen bis zum Ligastart am 1. Spieltag am 14. und 15. April in Stuttgart noch gearbeitet werden muss. Wir bedanken uns bei den Polen für ihre große Gastfreundschaft und werden das polnische Team sicherlich sehr bald wieder zu einem Trainings-Wochenende oder Freundschaftsturnier in Deutschland sehen.