„Wir können es noch besser als in Japan!“

In acht Wochen steckt unsere Nationalmannschaft mitten im Turniergeschehen der Europameisterschaft. Die Gruppenspiele werden gespielt sein und wir alle hoffen, dass sich unser Auswahlteam ins Halbfinale gespielt hat. Doch dieses Mal sind die Ziele höher gesteckt: das Finale soll her!
Heute haben wir den Teammanager der Nationalmannschaft Dr. Rolf Husmann im Interview. Er verrät uns, wie die restliche Vorbereitung der Mannschaft aussehen wird und blickt auch noch einmal auf die vergangene Weltmeisterschaft zurück.

B.net: Rolf, vor rund einem Jahr standest Du bei uns bereits einmal für ein Interview vor dem Mikrofon. Damals bist Du neu in die Rolle des Teammanagers geschlüpft und hast uns erste Infos zu deinen Aufgaben und deiner Zukunft im Blindenfußball gegeben.
Nach mittlerweile anderthalb Jahren, dem ersten großen internationalen Turnier und weiteren Länderspielreisen ist der Leser natürlich gespannt auf einen Rückblick deinerseits. Was kannst du uns zu den abgelaufenen gut 20 Monaten berichten, wie hast du dich eingefunden und was konntest du bereits erreichen?

Rolf: Als erstes möchte ich sagen, dass ich es noch nicht bereut habe, diese ja durchaus verantwortungsvolle und auch arbeitsintensive Aufgabe als Team-Manager zu übernehmen. Ganz im Gegenteil: Alles, was ich bisher für den Blindenfußball allgemein und unsere Nationalmannschaft im Besonderen gemacht habe, habe ich sehr gern und mit hoher Motivation getan und mit dem Gefühl, auch etwas erreichen zu können. Bislang war das zwar noch nicht viel, denn so richtig große Erfolge hat unsere Mannschaft ja noch nicht erzielt, aber ich habe das sichere Gefühl: Wir sind auf einem sehr guten Weg, hin zu sportlicher Qualität und zu Erfolgen, von denen wir bisher immer nur geträumt haben.
Meine Arbeit selbst besteht ja primär aus Bürokratie. Ich versuche, möglichst Vieles zu erledigen, um sowohl dem Bundestrainer, als auch Dennis Grädtke beim DBS Arbeit abzunehmen. Und ich glaube, die Zusammenarbeit zwischen uns ist auch wirklich gut und erfolgreich. Als Zwischenbilanz stelle ich zufrieden fest, dass meine Arbeit dazu beigetragen hat, die Mannschaft sportlich zu stärken und wir langsam, aber sicher auch in der öffentlichen Wahrnehmung besser dastehen. Aber da gibt es noch sehr viel zu tun!

B.net: Im November letzten Jahres nahm die Nationalmannschaft erstmals an einer Weltmeisterschaft teil und du standes in Tokio als Trainer an der Seitenbande. Wie war dies für dich und was sagst du in der Rückschau zum Abschneiden Deutschlands bei der WM?

Rolf: Die WM war für mich, aber sicher auch für uns alle, ein ganz besonderes Erlebnis. Das würde ja nur noch durch die Paralympics zu toppen sein! In Japan haben wir uns mit dem 8. Platz –und damit als zweitbeste Mannschaft aus Europa – achtbar geschlagen. Aber trotzdem war mehr drin. Wir hatten bei weitem nicht die bestmögliche Mannschaft zur Verfügung, auch wenn die eingesetzten Spieler ihr Bestes gegeben haben und keineswegs enttäuscht haben. Aber: Mulle verletzte sich schon beim Aufwärmen für das erste Spiel schwer und war nur bedingt einsatzfähig, Kofi war so stark erkrankt, dass er eigentlich ein Komplettausfall war, Taime war gar nicht erst mitgereist auf Grund seiner schweren Knieverletzung und Vedat war gesperrt. Was da möglich gewesen wäre, wenn wir alle Mann an Bord gehabt hätten, bleibt natürlich Spekulation, aber Tatsache ist: Wir können es noch besser als in Japan!

B.net: Während unseres letzten Interviews warst du mitten drin in der Gründung eines Fördervereins zur Unterstützung der Nationalmannschaft. Der Freundeskreis (FDBFN) existiert inzwischen und dir ist es gelungen, erste Prominenz als Ehrenmitglieder ins Boot zu holen. Wie sehen die nächsten Ziele des Vereins aus und wie plant ihr den Verein und seine Bekanntheit in Zukunft weiter voranzutreiben?

Rolf: Dem FDBFN gilt in der Tat meine besondere Aufmerksamkeit. Einerseits hatte ich wohl ein wenig blauäugig geglaubt, da würden sich binnen kurzer Zeit viele Fördermitglieder einfinden – was leider nicht der Fall ist -, andererseits hat der Verein aber auch schon wichtige Ziele erreicht. Seinen Nutzen kann man ganz aktuell an den nächsten Länderspielen am 25. und 26. Juli in Göttingen gegen Spanien sehen. Mein DBS-Budget erlaubt mir lediglich, die Kosten für die deutsche Mannschaft abzurechnen. Die Spanier kommen aber und wollen untergebracht und verpflegt werden. Das sind so ca. 3.000 bis 4.000 €, die da anfallen. Und das Geld muss ja irgendwo herkommen. Dank der Beiträge der Vereinsmitglieder und eingeworbenen Spenden, vor allem von der Göttinger Sparkasse, ist das aber jetzt gesichert und wir alle freuen uns sehr, in Göttingen mal Blindenfußball präsentieren zu können. Der FDBFN hat inzwischen mit Claudia Roth (Grüne), Thomas Oppermann (SPD) und Fritz Güntzler (CDU) drei wichtige Ehrenmitglieder gewonnen, die uns unterstützen. Weitere Ehrenmitglieder, vor allem prominente Fußballer, suche ich derzeit noch. Und natürlich werden weiter Fördermitglieder gesucht. Und vielleicht findet sich ja auch mal ein echter Sponsor.

B.net: Kommen wir in die Gegenwart. Vom 22. bis 29. August findet die europameisterschaft im Blindenfußball im englischen Hereford statt. Das Team ist seit einigen Monaten in der Vorbereitung. Im Frühjahr fanden die World-Games in Korea statt, Deutschland war aber nicht mit dabei. 2011 sah man diese Veranstaltung als gute Möglichkeit Matchpraxis zu erlangen und gegen möglichst viele Länder sich zu probieren. Stattdessen flog die Mannschaft für einen Kurztripp nach St. Petersburg. Wie kam es dazu und warum nahm Deutschland nicht in Korea teil?

Rolf: Für die Reise nach Korea hat einfach das Geld gefehlt. Der DBS bezahlt die EM, für eine weitere internationale Veranstaltung reichte das Budget nicht aus. Stattdessen gab es die Einladung, quasi kostenlos an dem Kurzturnier in St. Petersburg teilzunehmen. Aber wichtig ist uns, dass wir durch unser jetziges Jahresbudget des DBS in der Lage sind, uns durch zahlreiche Lehrgänge und Länderspiele so intensiv auf die EM vorzubereiten, wie es noch nie der Fall war. Ob wir unsere Ziele erreichen, werden wir Ende August sehen, aber schon jetzt können wir sagen, dass es nicht an mangelnder Vorbereitung liegt, falls wir scheitern sollten. Alle Mann im Team sind hochmotiviert und ziehen voll mit! Das gab es noch nie und das stimmt mich sehr optimistisch!

B.net: 2016 finden die Paralympics in Brasilien statt. Hier liegt das grosse Ziel für Deutschland. Dafür muss jedoch der Einzug ins Endspiel erreicht werden. Wie siehst du eure Chancen, schließlich wart ihr bei der WM hinter Spanien das zweitbeste europäische Team?

Rolf: Wir sind eines von fünf Teams in Hereford, die um die zwei Plätze für Rio kämpfen: Außer uns sehe ich Spanien, Frankreich, England und die Türkei als gut genug an, um das Endspiel zu erreichen. Wer das dann letztendlich schafft, hängt von der Tagesform, von ein bisschen Glück, aber auch davon ab, ob wir als deutsche Mannschaft unsere optimale Leistung abrufen können. Wenn das gelingt, dann, ja dann können wir am 29. August rufen: Rio, wir kommen! Und das ist natürlich unser aller großer Traum! Aber vergessen wir nicht: Besser als Platz 4 ist bislang für Deutschland noch nie bei einer EM rausgesprungen. Es wird Zeit, das zu ändern!

B.net: In der Geschichte der Nationalmannschaft hat man Spieler und auch Betreuer kommen und gehen sehen. Alleine auf der Fitness-Trainer-Position tauchten mittlerweile vier Namen auf. Seit Jahresbeginn reiht sich hier mit Desmond Thompson der nächste Fitness-coach in die Liste ein. Wie ist hier dein bisheriger Eindruck, wird sich Thompson länger im Teamgefüge behaupten können und worin unterscheidet sich sein Training zu den Einheiten vergangener Tage?

Rolf: Des ist ein ungeheuer kompetenter und in seiner (amerikanischen) Art präsenter Fitnesstrainer, der bei allen im Team sofort voll akzeptiert wurde. Ich denke, er ist vielleicht das kleine Stückchen mehr an guter Vorbereitung, das uns dann letztendlich den Erfolg bringen kann, den wir anstreben.

B.net: Lass uns über den aktuellen Kader und zu den Aussichten ein schlagkräftiges Team zu formen reden. Beim Blick auf die Teilnehmerlisten der Lehrgänge fällt auf, dass der Trainerstab den Kader erweitert hat. Zungen behaupten, dass Coach Pfisterer mit dir zusammen mittlerweile den besten Kader zusammengestellt hat, den Deutschland je hatte. Was meinst du zu dieser Aussage?

Rolf: Es war von Beginn an mein feste Meinung, dass unser Kader größer werden muss. Jetzt sind es, alle eingerechnet, 12 Feldspieler und drei Torleute. So viele brauchst Du aber auch, wenn Du am Ende mit einer schlagkräftigen Truppe zu einer Meisterschaft fahren willst. Gerade die Ausfälle aus zu kleinem Kader haben uns ja voriges Jahr so zu schaffen gemacht. Für die Zukunft sehe ich den Bedarf, diesen Kader zu festigen und noch mehr zusammenzuschweißen. Und ihn dann peu a peu zu ergänzen, vor allem durch jüngere Spieler, die hoffentlich in den nächsten Jahren nachkommen und dann eine Kontinuität gewährleisten würden, die uns für etliche Jahre in der Weltspitze etablieren könnte. Das ist jedenfalls meine Vision. Dass der jetzige Kader das Beste ist, was es bisher gab, mag stimmen, aber das heißt nicht, dass es nicht noch besser geht!

B.net: Wenn wir einzelne Spieler in ihren Klubs beobachten, fällt auf, dass sich hier Sportler enorm verbessert haben. Im Zusammenspiel während der Lehrgänge der Nationalmannschaft wird dies noch mehr deutlich. Die Leistung wird immer mehr auf allen Positionen abrufbar – eine sehr positive Entwicklung. Was habt ihr getan, um das früher einmal eher sichtbare Bild Starting-Four und „Ersatzbank“ auszuradieren?

Rolf: Unser Bundestrainer hat sich erfolgreich viele Gedanken gemacht und seine Arbeit zahlt sich endlich aus! Wir haben dazu Spieler gefunden, die willens und in der Lage sind, die Vorgaben von Uli umzusetzen. Und dazu kommt eben auch der neue Fitnesstrainer ebenso wie die jahrelange hervorragende Arbeit unseres Physios, also Thilo! Das passt jetzt alles gut zusammen und ich kann sagen, dass ich jetzt schon ein bisschen stolz auf meine Jungs bin, wenn ich solche Fortschritte sehe. Aber es ist nur eine Zwischenbilanz. Alle wissen, wir müssen und wollen weiter hart arbeiten, um uns weiter zu verbessern! Das geht und das wird uns dahin führen, wo unsere Träume liegen!

B.net: Bis zur anstehenden EM ist für die Jungs neben zwei Leistungslehrgängen und einer Länderspielreise nach Belgien noch ein Großereignis in Göttingen geplant, was den letzten Auftritt des Teams vor der EM darstellen wird. Europameister Spanien kommt zu zwei Testspielen in deine Heimatstadt und neben dem regulären Spiel am Samstagnachmittag wird es am Sonntag ein etwas besonderes Spiel geben. Was kannst du hierzu verraten?

Rolf: Über die Spiele in Göttingen habe ich mich ja schon ausgelassen. Sie liegen mir als Göttinger natürlich besonders am Herzen. Was aber als Besonderheit noch dazu kommt, ist, dass das Sonntagsspiel auf Wunsch der IBSA als Testspiel mit Hockeytoren durchgeführt wird. Also mit größeren Toren als sonst. Dadurch sollten mehr Tore fallen, zumindest mehr Torchancen entstehen. Das ist jedenfalls die Hoffnung. Wir werden sehen. IBSA erwägt jedenfalls die Einführung solcher größeren Tore und ich selbst bin von dieser Idee sehr angetan, denn es wird die Attraktivität des Spiels deutlich verbessern.

B.net: Der Terminkalender ist nahezu ausgebucht. Eben warst du noch in England, um die Örtlichkeiten für das Team anzuschauen, kommendes Wochenende reist die Mannschaft zu einem Länderspiel nach Belgien. Wie sehen die weiteren Wochen bis zur EM aus und vor allem: wann gibt der Stab den EM-Kader bekannt?

Rolf: Nach den Belgien-Spielen kommen eben die genannten Länderspiele am 25. und 26. Juli in Göttingen, dann gibt es noch einen Lehrgang in Stuttgart vom 7. bis 10. August und dann geht’s ab nach England!! Spätestens in Göttingen werden wir den Kader bekanntgeben, aber ich bin sehr froh, dass wir dann immer noch eine Warteliste haben werden, falls sich jemand noch vor der EM verletzt, zum Beispiel an dem sehr unglücklich terminierten Spieltag der Bundesliga in Düren. Drücken wir die Daumen, dass da keinem mehr etwas passiert!

B.net: Vielen Dank, Rolf, für die Eindrücke. Wir wünschen deinem Team eine verletzungsfreie Vorbereitung und natürlich viel Glück und Erfolg in England!

Alle Fans des Blindenfußballs können sich über die Arbeit des Freundeskreises der Deutschen Blindenfußball-Nationalmannschaft (FDBFN) auf der Seite des Vereins umschauen und mit einer Mitgliedschaft den Sport selbst etwas weiter vorantreiben.